In Bayern leben etwa 500.000 Muslim*innen. Nun plant das bayerische Kultusministerium fürs kommende Schuljahr 2021/2022 die Einführung eines staatlichen Wahlpflichtfaches an allen Schularten bis zur zehnten Jahrgangsstufe sowie an Berufs- und Wirtschaftsschulen. Dabei bleiben viele Fragen offen. Klar ist aber, dass diese Art des Islamunterrichts nicht den Bedürfnissen und Wünschen der islamischen Religionsgemeinschaft entspricht.
Aber blicken wir erst einmal zurück: Was ist bisher passiert?
Ende 1999 stellte die islamische Religionsgemeinschaft Erlangen einen Antrag auf Einführung eines islamischen Religionsunterrichts für ihre Mitglieder an öffentlichen Schulen in Erlangen, als ersten Antrag dieser Art in Deutschland. Daraufhin wurde im Schuljahr 2003/2004 das „Erlanger Modell“ an der Grundschule Brucker Lache eingeführt, das von den Schüler*innen, Eltern und Schule sehr positiv bewertet wurde. Daraufhin entschied das Kultusministerium fürs Schuljahr 2008/2009, den Schulversuch als bayernweiten Modellversuch einzuführen. Der Modellversuch wurde zweimal verlängert und dauert bis heute an. Das Kultusministerium sieht den islamischen Unterricht als integrationsfördernd an und als Beitrag, einer möglichen Radikalisierung vorzubeugen.
Doch woran liegt es, dass der Modellversuch innerhalb der 12 Jahre nicht in ein ordentliches Lehrfach überführt wurde?
Im Allgemeinen gilt nach Grundgesetz (GG) Art. 7 Abs. 3: Ein Religionsunterricht kann nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden. Das bedeutet, dass eine rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaft benötigt wird, die Inhalte ihres Glaubens festlegt und Lehrkräfte beauftragt. Und hier steckt der Haken, denn die konservative bayerische Landesregierung möchte die muslimischen Religionsgemeinschaften (Dachverbände) nicht mit den jüdischen und christlichen Religionsgemeinschaften gleichstellen und zeigt, anders als die meisten anderen Bundesländer, in dieser Hinsicht keinerlei Kompromissbereitschaft!
Aber die muslimischen Dachverbände in Bayern sind Religionsgemeinschaften!
In Bayern leben ca. 500.000 Muslim*innen. Die islamischen Dachverbände betreiben über 250 Moscheegemeinden, die mehr als 2/3 der Muslim*innen in Bayern religiös und seelsorgerisch betreuen, deswegen sehen sich die Dachverbände als Religionsgemeinschaften. Ihre wesentliche Aufgabe ist die Pflege der islamischen Religion. Sie haben eine klar fassbare Struktur und leisten für ihre Mitglieder Dienste religiöser und seelsorgerischer Art von der Geburt bis zum Tragen zum Grab.
Die bayerische Landesregierung behauptet, dass es in Bayern keine islamische Religionsgemeinschaft gibt, obwohl Anträge aus dieser Gemeinschaft für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts schon länger unbearbeitet vorliegen, einer davon seit 2014.
Welche Wege gehen andere Bundesländer?
Andere Bundesländer wie Hamburg und Bremen unterschrieben Staatsverträge mit den islamischen Verbänden, NRW installierte einen Beirat mit den muslimischen Repräsentant*innen und Baden-Württemberg rief mit der Zustimmung der Dachverbände eine Stiftung ins Leben, die die Position der fehlenden islamischen Religionsgemeinschaften übernahm.
Warum ist ein staatlicher Islamunterricht eine falsche Entscheidung?
Die Landesregierung setzt auf alle möglichen rechtlichen Tricks, um zu verhindern, dass die Muslim*innen von ihrem im Grundgesetz verankerten Recht Gebrauch machen. Mit dem staatlichen Islamunterricht legt sie den Grundstein für die Verstaatlichung der Religion in Deutschland, was in klarem Widerspruch zum GG steht, denn damit wird ein Präzedenzfall geschaffen, der den Weg für die Verstaatlichung weiterer oder aller Religionen im Schulwesen ebnet. Das verstößt gegen die Trennung von Staat und Religion.
Die muslimischen Eltern werden mittelfristig ihre Kinder aus diesem staatlichen Islamunterricht abmelden, da die eigene Moscheegemeinde beim Projekt außen vor steht und sie fürchten, dass ihren Kindern die eigene Religion auf eine Weise vermittelt wird, die nicht von der muslimischen Religionsgemeinschaft authentifiziert ist; schließlich wird die Eignung der eingesetzten Islamlehrer*innen für ihre Aufgabe von der islamischen Religionsgemeinschaft nicht geprüft.
Mohamed Abu El-Qomsan