Dem Hochwasser sollten tiefere Einblicke folgen

Die Politik konzentriert sich auf die Katastrophenhilfe, auch der Ruf nach Technik wird laut: Warn-Apps oder SMS, Sirenen dort aufstellen, wo man sie irgendwann abgebaut hat. Und eine verpflichtende Elementarversicherung gerät ebenfalls wieder in den Blick. Wahrscheinlich alles zurecht.

Die aktuellen Hochwasserkatastrophen haben erneut auf eine Gefahr aufmerksam gemacht, die immer wieder für große Schäden sorgt. Eine wirksame Vorsorge gegenüber Überschwemmungen ist nach jeweiligen Ereignissen zwar regelmäßig angemahnt, aber nur in wenigen Fällen konsequent und wirksam umgesetzt worden. Zu den Gründen für Hochwasser zählen zum Teil ganz klar auch menschengemachte Gründe: Auenvernichtung, Flussbegradigung, Verdichtung der Böden durch intensive Landwirtschaft, Versiegelung der Landschaft. So verfügen laut dem BUND Naturschutz die deutschen Flüsse heute nur noch über rund 20 Prozent ihrer früheren natürlichen Überschwemmungsfläche (→ Quelle). Und nach wie vor ist der Hochwasserschutz auf technische Maßnahmen wie Dämme und Flutpolder fixiert, die zwar einzelne Objekte schützen, jedoch keinen flächigen Hochwasserschutz bieten können. Vorrang müssen aber naturnahe Maßnahmen haben, deren Wirkung seit langem erwiesen ist:

  • Eine regenspeichernde Landbewirtschaftung im Einzugsgebiet von Flüssen, Sicherung von Wiesen, Schaffung von Strukturen, vor allem quer zum Hang, Erhaltung und Verstärkung natürlicher Muldenstrukturen und Wälder.
  • Renaturierung von entwässerten Mooren zur Erhöhung der Wasserspeicherfähigkeit.
  • Renaturierung und Wiederherstellung ehemaliger Flussschleifen. Dadurch verlangsamt sich der Abfluss an den zahlreichen kleinen Gewässern. Dabei hilft gerne auch der Biber.
  • Wiederanbindung von Auen an den Fluss, indem man Deiche landeinwärts an den Rand der Auen verlegt.
  • Entsiegelung von Böden, weniger Versiegelung durch Neubebauung.

Doch zum Beispiel in Bayern setzt die Politik vor allem auf technische Maßnahmen. Ein Schwerpunkt der Umsetzung liegt derzeit auf dem „bayerischen Flutpolder-Konzept“, begründet mit dem nötigen Hochwasserschutz für Passau. Eine Gesamtbetrachtung fehlt.

Doch sollten die Hochwässer unsere Aufmerksamkeit auch auf ein anderes Thema richten: Die Wasserqualität. Entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union sollen bis 2027 Gewässer in der EU in einem „guten ökologischen Zustand“ sein. In einer Anfang Juli dieses Jahres, also kurz vor den Überschwemmungen, erschienenen „Flussgebietsübergreifenden Stellungnahme des NABU zu den Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)“ stellt der NABU Deutschland ein verheerendes Zeugnis aus, das sowohl den Bund, wie auch die Länder betrifft.

Und während wir immer wieder aus den Medien erfahren, ist zwar die Wasserqualität in unseren Badeseen hervorragend, doch sagt der WWF ganz deutlich: „Der Gewässerzustand in Deutschland ist alarmierend.“ Nicht einmal 8 Prozent der Flüsse sind ein einem guten Zustand. In zirka 75 Prozent aller Gewässer in Deutschland sind die Grenzwerte für Nährstoffe überschritten, zirka 36 Prozent aller Grundwasserkörper sind chemisch belastet. Auch Gewässer, deren chemischer Zustand relativ gut ist, können in einem schlechten ökologischen Zustand sein. Nur Schleswig-Holstein ist ein bisschen besser als die anderen Bundesländer. Aber das ist weit weg von Franken!

Gerhard Seitfudem