SLAPP ist die Abkürzung für „Strategic Lawsuits against Public Participation“, Einschüchterungsklagen. Man bezeichnet damit das Beklagen einzelner Kritiker:innen, die öffentlich auf Missstände aufmerksam machen. Durch das Androhen hoher Schadensersatzforderungen sollen sie eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Finanzstarke Firmen und Institutionen missbrauchen dabei die Gerichte, um fragwürdige Geschäftspraktiken vor der Öffentlichkeit zu verbergen.
Ein Beispiel ist der Kampf um den Pestizideinsatz im Vinschgau, einer Region in Südtirol, die zum größten Teil aus Monokulturen zum Apfelanbau besteht. Diese Landwirtschaft ist mit intensivem Materialeinsatz bzgl. Maschinen, Dünger und Pestiziden auf maximalen Ertrag getrimmt. Die Folgen für Biodiversität, Wasser- und Umweltschutz sind den Anwohner:innen nicht verborgen geblieben, und so haben die Bürger:innen der Kommune Mals den Pestizideinsatz per Bürgerentscheid untersagt. Daraufhin ließ die Südtiroler Landesregierung gemeinsam mit der Obstlobby nichts unversucht, das Referendum zu kippen, was wiederum das Münchner Umweltinstitut motivierte, die Thematik in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und den Pestizideinsatz in einer großen Kampagne anzuprangern.
In der Folge wurden einzelne Aktive von der Südtiroler Landesregierung und ca 1300 Landwirten beklagt. Karl Bär vom Umweltinstitut München musste wegen des Vorwurfs der üblen Nachrede mehrfach in Bozen vor Gericht erscheinen und hat hierfür wie auch für seine Verteidigung viel Zeit, Geld und Energie investieren müssen. Es ist klar, dass hierfür eine gehörige Portion Standhaftigkeit und auch Rückendeckung aus den Verbänden notwendig ist.
https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/pestizidrebellen-vor-gericht.html
Schlussendlich ist ein Landwirt nach dem anderen jedoch von der Klage zurückgetreten, der letzte Landwirt tat dies am 28.01.22 nach 16 Monaten Prozessdauer. Brisanterweise beschuldigte er am Ende sogar den Landrat Schuler, ihn zu der Klage genötigt zu haben (link).
Über den Protest im Vinschgau gibt es auch ein Buch und den Film: „Das Wunder von Mals“.
„Der Großteil der SLAPP-Klagen stellt den Vorwurf der Diffamierung in den Raum. Anstatt auf ihre Kritiker:innen mit inhaltlichen Argumenten zu reagieren, werfen Unternehmen, Regierungen und mächtige Einzelpersonen diesen Verleumdung, Verunglimpfung, üble Nachrede, Beleidigung oder Rufschädigung vor. So wird der Überbringer der schlechten Nachricht zum Übeltäter. In der Debatte rund um SLAPPs stellt sich die Frage: Wer sollte zur Verantwortung gezogen werden: diejenigen, die die Umwelt zerstören und Menschenrechte mit Füßen treten oder diejenigen, die darüber berichten? “ (Umweltinstitut München)
SLAPPs bedrohen die Rede- und Meinungsfreiheit jedes:r Einzelnen. Deshalb fordern viele Organisationen inzwischen eine EU-Richtlinie gegen SLAPPs (www.the-case.eu).
Christian Dirsch