Was macht UNHCR?

Weltweit dürften etwa 30 große internationale Hilfsorganisationen aktiv sein. Auch die UNO – und damit irgendwie die Weltgemeinschaft – kümmert sich um die weltweite Hilfe. Den Vereinten Nationen (UN, UNO) gehören 193 Staaten an – nicht Mitglieder sind lediglich der Vatikan und 12 Staaten, Nationen, Länder oder Territorien, bei denen „die Staatseigenschaft umstritten ist oder die sich in freier Assoziierung zu anderen Staaten befinden“, zum Beispiel Nordzypern oder das Kosovo. Zu den Organen der UNO gehören der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat und der Internationale Gerichtshof in Den Haag.

Weitere rund 30 „Nebenorgane“ sind dem Wirtschafts- und Sozialrat zugeordnet. Dazu gehören zum Beispiel das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund, UNICEF), das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN World Food Programme, WFP), der „Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen“ (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR, hier der Link zu UNHCR Deutschland) und viele weitere wichtige Organisationen. Die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) hingegen ist wie der Internationale Währungsfonds IWF oder Weltgesundheitsorganisation WHO eine von 17 rechtlich selbstständigen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen.

UNHCR beschäftigt etwa 19.000 Mitarbeiter und kümmert sich in insgesamt 130 Ländern schwerpunktmäßig um Flüchtlinge und staatenlose Menschen. Jeder achtzigste Mensch auf der Welt ist Flüchtling, zusammen sind es 100 Millionen. Während wir uns in Europa derzeit vor allem um die Flüchtlinge aus der Ukraine kümmern (und diejenigen aus Syrien schon in den Hintergrund gerückt sind), kümmert sich diese Organisation auch um die, die wir weniger auf dem Schirm haben:

  • In der Subsahara, wo die etwa 7 Millionen Flüchtlinge zum größten Teil aus Südsudan stammen, aus Somalia, dem Sudan, der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Eritrea und Burundi.
  • In der Tschadsee-Region, wo aus Angst vor Boko Haram über 2,7 Millionen Menschen in der Tschadsee-Region auf der Flucht sind. Dort leidet die Bevölkerung in Nigeria, Kamerun, dem Tschad und Niger unter massiven Menschenrechtsverletzungen, sexualspezifischer Gewalt, Zwangsrekrutierung und Selbstmordattentaten.
  • In der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) sind es Zivilisten, die Häuser zerstören und Dörfer niederbrennen. Über 600.000 Menschen sind auf der Flucht. Sie befinden sich in den Nachbarländern Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, dem Tschad und der Republik Kongo.
  • Im Südsudan sind mehr als 2,3 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen worden, die meisten davon befinden sich im Sudan und in Uganda. Weitere 1,7 Millionen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Ihre Situation wird zusätzlich durch Überschwemmungen, Nahrungsmittelknappheit und Krankheiten verschärft.
  • Die Brennpunkte des Nahen Ostens sind Syrien, Irak und der Jemen. Syrien ist (noch) das weltweit am stärksten von Flucht und Vertreibung betroffene Land: 14 Millionen Menschen, und damit mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung, sind entweder Binnenvertriebene oder im Ausland als Flüchtlinge und Asylsuchende. Im Irak wurden rund 1,8 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben, fast 400.000 mussten aus dem Land fliehen. Der Bürgerkrieg im Jemen hat 1,8 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen.
  • In Asien und der Pazifikregion fallen etwa 7,7 Millionen Menschen unter UNHCR-Mandat, die meisten davon aus Afghanistan und Myanmar, etwa 1,5 Millionen davon sind staatenlos. Die meisten afghanischen Flüchtlinge leben im Iran und in Pakistan, die Rohingya aus Myanmar in Bangladesh.
  • Auf dem amerikanischen Kontinent liegen die Risiken für die Menschen vor allem in der organisierten Kriminalität, bewaffneten Gruppen, Staatenlosigkeit und jahrzehntelangen Konflikten. Mit mehr als 7 Millionen Menschen ist Kolumbien (noch) das Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit.
  • In Europa lebten vor dem Ukraine-Krieg rund 7 Millionen Flüchtlinge, davon etwa 3,8 Millionen in der Türkei. Die (derzeit) etwa sieben Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, von denen immer wieder welche in vermeintlich sichere Gebiete zurückkehren, und die vielen Binnenflüchtlinge in der Ukraine sind die neueste Herausforderung.

Es gäbe ganz viel über die Tätigkeit von UNHCR zu schreiben, deshalb hier nur ein paar Details, worum die Organisation sich kümmert:

  • Weltweiter Flüchtlingsschutz. Für Europa bedeutet das zum Beispiel, dass die UNHCR-Büros die Einhaltung der Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention durch die europäischen Staaten beobachten, den Regierungen vor Ort beratend zur Seite stehen und sich für die Stärkung des Schutzes von Flüchtlingen einsetzen. Je nach Land ist die Rechtssituation unterschiedlich. In Deutschland liegt der Schwerpunkt der UNHCR-Aktivitäten im Bereich des Rechtsschutzes für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge.
  • Humanitäre Hilfe. Dazu gehört neben materieller und logistischer Bereitstellung von Hilfsgütern auch Bargeldhilfe, sozusagen Hilfe zur Selbsthilfe.
  • Resettlement: Ansiedlung dort, wo die Menschen bleiben können.
  • Lokale Integration der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern, wo die Rückkehr in den Heimatstaat nicht möglich ist.
  • Die Sicherstellung von gleichwertiger Bildung und damit von Chancengleichheit ist ein ganz wichtiges Ziel der Arbeit mit Flüchtlingen.
  • Vermeidung und Beendigung von Staatenlosigkeit. Denn Staatenlose befinden sich häufig in einem rechtlichen Schwebezustand. Oft haben sie nicht einmal Zugang zu Bildung oder zum Arbeitsmarkt, sie dürfen nicht frei reisen und sind von der politischen Teilnahme sowie grundlegenden Sozialleistungen eines Staates ausgeschlossen.
  • Freiwillige Rückkehr. UNHCR setzt sich dafür ein, in den Herkunftsländern Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel „Go and see“-Besuche, bei denen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, vor einer Rückkehrentscheidung die Situation in ihrer Heimat durch einen Besuch besser einschätzen zu können.
  • Reaktion auf Umweltkatastrophen und Klimaveränderung. Hier leistet UNHCR auf Anfrage Unterstützung und humanitäre Hilfe. Wenn Umweltkatastrophen mit Kriegssituationen zusammenfallen, ist UNHCR automatisch zuständig.

Gerhard Seitfudem