Im Winter permanent Sturm und Regen, im Sommer Wüstenhitze. Das beschreibt T. C. Boyle in seinem 20 Jahre alten Zukunftsroman „Ein Freund der Erde“. Es mag bessere Bücher des Autors geben, das Klimaszenario ist aber durchaus realistisch. Eine der Ursachen dafür: Der Golfstrom schwächt sich immer weiter ab und könnte am Ende vollständig versiegen. Gund dafür ist die Süßwasserzufuhr durch zunehmende Niederschläge und durch Schmelzwasser aus dem grönländischen Eisschild. Eine aktuelle Studie unterstreicht einen vermuteten Zusammenhang mit der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung.
Der Golfstrom transportiert eine gigantische Menge an Wärmeenergie aus den Tropen und damit auch im Winter milde Temperaturen nach England, Irland und Schottland, in die Niederlande, nach Westdeutschland und Skandinavien – und im Westen des Atlantiks entlang der nordamerikanischen Küste bis nach Kanada. Vor Grönland sinkt das abgekühlte Wasser in die Tiefe und strömt zurück in den Süden. Dieser Mechanismus gerät ins Stocken, weil das Süßwasser das salzhaltige Meerwasser verdünnt und es nicht mehr wie früher in die Tiefe absinken kann. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts beträgt die Abschwächung des Golfstroms wahrscheinlich ca. 15 Prozent.
Wie sich das Klima aufgrund des nachlassenden Golfstroms weltweit dauerhaft, also in den nächsten Jahrhunderten, entwickelt, ist nicht klar. Man kann noch lange nicht einschätzen, wo es wärmer, kälter, feuchter oder trockener wird und was dies für die Natur bedeutet – für die Tier- und Pflanzenwelt der Ozeane und an Land und damit auch für den Mensch. Für die nahe Zukunft sehen Forscher*innen aber deutlich klarer: In Europa wird es mehr Extremwetterereignisse geben und entlang der nördlichen US-Küste mehr Überschwemmungen. Um diesen Effekt so gering wie möglich zu halten, gibt es nur eines: So wenig Treibhausgase produzieren wie möglich.
Mehr dazu findet ihr in einem Interview mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf in der Ausgabe 04/2021 der Zeitschrift Schrot&Korn.
P.S.: Wenn wir es schaffen, das gesamte Kontinentaleis zum Schmelzen zu bringen, steigt der Meeresspiegel um etwa 65 Meter. Die Migrant*innen kämen dann zum Beispiel aus Amsterdam, Hamburg, Bremen, Berlin, Hannover, Wanne-Eickel oder Köln.
Gerhard Seitfudem