Das GRÜNE Wahlprogramm. Fünfter Teil: Zusammen leben

Das fünfte Kapitel unseres Wahlprogramms ist eines, das die Konservativen und die vermeintlichen Liberalen in Rage versetzen könnte. Doch sie verkennen: Zusammen leben ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Und die Gesellschaft verändert sich permanent. Was gestern noch als nicht möglich galt, wird morgen normal sein. Demokratisches Verständnis, Geschlechterrollen, typische Biographien unserer Bürger wandeln sich unaufhaltbar. Unsere Aufgabe ist es, darauf zu reagieren, und das wollen wir Grüne gerne tun.

 

WIR MACHEN DEN STAAT EFFEKTIVER UND BÜRGER*INNENNÄHER

Deutschland braucht eine Modernisierungsoffensive für die Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien, die Energienetze, Schulen, Straßen, Brücken und digitale Infrastrukturen. Für eine Planungsbeschleunigung schaffen wir mehr öffentliche Planungskapazitäten. Verfahren werden durch die Bündelung von Genehmigungen verschlankt. Wir führen behördeninterne Fristen ein. Zudem soll der Bundestag mehr Verantwortung bei Infrastrukturprojekten übernehmen. Bürger*innen vor Ort sind frühzeitiger einzubinden.

Mit sicheren digitalen Beteiligungsformaten wollen wir unsere Verwaltung modernisieren und unnötige Bürokratie abbauen. Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig müssen die Türen des Staates auch für den persönlichen Kontakt mit den Bürger*innen geöffnet bleiben. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Wir verfolgen dabei die Vision eines digitalen, antragslosen und proaktiven Sozialstaats. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte Anträge geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.

Wir wollen EU-weit interoperable digitale Identitäten zu einer Basisinfrastruktur unseres digitalen Gemeinwesens machen. Jede natürliche und juristische Person soll mit einer kostenfreien digitalen Identität ausgestattet sein, um sich digital ausweisen und digital unterschreiben zu können. Wir wollen einen Mobilpass für unterschiedlichste Mobilitätsangebote, Serviceangebote der Verwaltung, E-Health- und E-Justice-Infrastrukturen und auch digitale Beteiligungsformate ermöglichen. Auch die Wirtschaft soll dieses Verfahren branchenübergreifend nutzen können, etwa für sichere Loginverfahren, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.

Durch die Vorlage eines Bundestransparenzgesetzes werden wir staatliche Datenbestände der Allgemeinheit nach den Prinzipien der Open Data zur Verfügung stellen. So heben wir den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten, nicht personenbeziehbaren Daten.

Auch die Corona-Krise hat gezeigt, dass Deutschland bei der Verfügbarkeit von Daten weit hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der Forschung den politischen Entscheidungsträger*innen und der Zivilgesellschaft zur Verfügung stellen. Es braucht einen Paradigmenwechsel hin zu gemeinsamen Standards statt abgeschotteter Datensilos und zum Beispiel die Möglichkeit, einfaches und datenschutzfreundliches Datenteilen zu ermöglichen.

Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine Beschaffung und seine Förderkriterien an der Einhaltung von ökologischen, Menschenrechts- und sozialen Standards orientiert. So geht die Politik mit gutem Beispiel voran.

Wir wollen einen lernenden Staat. Die öffentliche Verwaltung muss in die Lage versetzt werden, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre jeweiligen Aufgaben anpassen zu können. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher Zusammenarbeit sowie der Ermöglichung innovativer Ansätze. Wir setzen uns zudem für mehr Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.

Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Verfahren dauern zu lang. Die Justiz braucht Entlastung durch mehr Personal, durch außergerichtliche Streitbeilegung, durch die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der Justiz mit der nötigen Technik. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können. Wir fördern die elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz.

Damit unser Staat mit den großen Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens dazu in die Lage versetzt werden. Wir wollen den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute Bezahlung, flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für das 21. Jahrhundert.

Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch in der Verwaltung widerspiegeln. Dazu gehört beispielsweise Mehrsprachigkeit in der Verwaltung. Bei der Einstellungs- und Beförderungspraxis ist nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die gesellschaftliche Vielfalt zu beachten. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund einführen.

WIR TRETEN EIN FÜR VIELFALT, ANERKENNUNG UND GLEICHE RECHTE

Wir werden das Leitbild „Einheit in Vielfalt“ zur Gestaltung einer rassismuskritischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern. Themen und Zuständigkeiten, die Gleichberechtigung und Teilhabe an der offenen und vielfältigen Gesellschaft betreffen, wollen wir bei einem Ministerium bündeln. Wie werden ein Bundespartizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das Bundesgremienbesetzungsgesetz reformieren. Wer hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, muss an Wahlen und anderen demokratischen Prozessen gleichberechtigt teilnehmen können. In einem ersten Schritt wollen wir das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einführen.

Wir wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen, strukturellem und institutionellem Rassismus mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung verankern, ergänzend zur überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) soll zur obersten Bundesbehörde aufgewertet werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wollen wir zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz weiterentwickeln. Das Netz zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut werden. Antirassismus, Antidiskriminierung und Postkolonialismus wollen wir in der Lehrer*innenausbildung und in den Lehrplänen verankern.

Jüdisches Leben in seiner Vielfalt in Deutschland werden wir konsequent fördern und sichtbar machen. Antisemitische Narrative, israelbezogener Antisemitismus und verschwörungsideologische Erzählungen müssen präventiv adressiert werden, auch und gerade im digitalen Raum. Es braucht Leitlinien für einen effektiven Schutz jüdischer Einrichtungen, bei deren Entwicklung die jüdischen Gemeinden einbezogen werden müssen.

Die heterogene und von Muslim*innen als Stärke wahrgenommene Struktur des Islams, die weder eine religiös noch strukturell verankerte Hierarchie kennt, darf ihnen von Seiten des Gesetzgebers deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Wir unterstützen daher Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und dessen oder deren jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen. Langfristig wollen wir erreichen, dass der Bedarf der muslimischen Gemeinden an religiösem Personal durch in Deutschland ausgebildete Personen gedeckt wird.

Wir wollen die neue EU-Roma-Rahmenstrategie umsetzen und die ambitionierten Inklusionsziele der EU erreichen. Minderheitenrechte wie der Erhalt von Sprache, der Geschichte und Kulturen von Sinti*zze und Rom*nja müssen gewährleistet werden. Wir wollen eine Monitoring- und Informationsstelle zur Dokumentation und Aufarbeitung rassistischer Vorfälle und zur Unterstützung der Betroffenen einrichten. Die Situation von Rom*nja in ihren Herkunftsländern muss in Asylverfahren und bei der Prüfung asylunabhängiger Bleiberechte stärkere Berücksichtigung finden.

Wir treten für eine inklusive Gesellschaft gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ein, in der Menschen mit Behinderung ihre Fähigkeiten und Talente selbst einbringen können. Wir wollen Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, auch psychischen Erkrankungen, gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Wir wollen ein „Barrierefreiheits-Gesetz“, eine höhere Förderung für mehr barrierefreie Wohnungen, Städtebauförderung für inklusive Stadtquartiere stärken und die soziale Wohnraumförderung an Barrierefreiheit binden.

Wir wahren das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die das Grundgesetz achten. Wir wollen, dass das kirchliche Arbeitsrecht reformiert und die gewerkschaftliche Mitbestimmung gefördert sowie die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden. Die vielen Gläubigen, die sich für eine notwendige Modernisierung der christlichen Kirchen einsetzen und auf eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexualisierter Gewalt dringen, unterstützen wir.

WIR ERNEUERN DAS DEMOKRATISCHE FUNDAMENT

Transparente und nachvollziehbare Politik stärkt das Gemeinwohl. Lobbyismus wollen wir transparenter und den Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen sichtbar machen. Das Lobbyregister wollen wir nachschärfen. Interessenskonflikte wollen wir stärker in den Blick nehmen. Einkünfte aus Nebentätigkeiten werden auf Euro und Cent veröffentlicht, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen gibt es striktere Regeln. Spenden an und die Lobbytätigkeit für Abgeordnete werden verboten. Für Nebenverdienste von Abgeordneten wollen wir zudem eine verpflichtende Angabe der Branche. Parteispenden sollen auf natürliche Personen beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag von 100.000 Euro je Spender*in gedeckelt werden. Ab 5.000 Euro sollen Spenden im Rechenschaftsbericht genannt werden, ab 25.000 Euro soll die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung greifen. Verdeckte Wahlkampffinanzierung soll besser bekämpft werden. Politische Werbung und Kampagnen im Netz müssen transparenter werden – solange es keine verpflichtenden Regulierungen gibt, gehen wir mit unserer Selbstverpflichtung voran.

Wir setzen uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament deutlich verkleinert, unter anderem durch die Reduzierung von Wahlkreisen, die fair und verfassungsgemäß ist und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Im Rahmen dieser Reform sollten unter anderem die Verlängerung der Legislaturperiode und die Amtszeitbegrenzung für das Amt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers geprüft werden. Die Sitzungen der Bundestags-Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden.

Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Das betrifft auch queere Menschen, Nicht-Akademiker*innen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationsgeschichte. Gleichberechtigung von Frauen ist ein historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für uns alle und soll sich bereits bei den Nominierungsverfahren niederschlagen. Die dafür bestehenden verfassungsrechtlichen Hürden gilt es abzubauen, um rechtlich gute Lösungen zu finden.

Jugendwahlrecht: Um möglichst breite Bündnisse für eine verfassungsändernde Wahlalterabsenkung schmieden zu können, wollen wir das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen in der kommenden Legislaturperiode auf 16 Jahre absenken. Auf Basis einer Evaluation des Wahlalters 16 wollen wir das Wahlalter ggf. weiter absenken.

Wir sorgen dafür, dass es eine gesetzliche Grundlage für Bürger*innenräte gibt und sich das Parlament mit deren Ergebnissen beschäftigen muss. In der kommenden Wahlperiode wollen wir weitere Optionen für eine stärkere Institutionalisierung von Bürger*innenräten prüfen, unter anderem direktdemokratische Verfahren zu einzelnen Beratungsergebnissen. Wir wollen Beteiligung fördern und politische Bildung als wichtige Querschnittsaufgabe auch auf kommunaler Ebene voranbringen.

Wir stehen zu einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle. Wir arbeiten für eine funktionsgerechte Finanzierung, die einem definierten Programmauftrag folgt. Die Digitalisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss vorangetrieben und seine bisherigen Angebote müssen überprüft werden. Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen sollen bei angemessener Vergütung der Urheber*innen dauerhaft zugänglich und europäisch verzahnt werden. Qualitätsjournalismus braucht deutlich bessere Rahmenbedingungen,. Gemeinnütziger Journalismus braucht Rechtssicherheit.

Wir wollen Hasskriminalität im Netz und das bewusste Verbreiten von Falschinformationen wirksamer bekämpfen. Wir treten für einen effektiven Umgang mit Nutzerbeschwerden, eine Verbesserung der Strafverfolgung und der zivilrechtlichen Durchsetzung ein. Große Anbieter*innen sollen sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten für Betroffene von Hass und Hetze beteiligen. Wir wollen ein Gesetz für digitalen Gewaltschutz, das die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn kein*e Täter*in festgestellt wird.

Wir treten dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die gesellschaftlich relevante, freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft, Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen und barrierefrei zugänglich sind. Durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen schützen Grundrechte, schaffen Vertrauen in digitale Anwendungen und müssen zum Standard bei allen staatlichen IT-Vorhaben werden.

Mit einem Demokratiefördergesetz wollen wir das Engagement von Menschen in Initiativen, Verbänden, Vereinen oder NGOs stärken und das demokratiebelebender Initiativen und Organisationen nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell absichern. Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher regeln und sicherstellen, dass sie an den Werten des Grundgesetzes orientiert sind und – auch in ihrem Verhältnis zu den Parteien – Transparenz herstellen.

Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Die Gemeinnützigkeit zusätzlicher Zwecke wie zum Beispiel des Friedens, der Durchsetzung der nationalen und internationalen Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des Sozialstaatsgebotes und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von Diskriminierung wollen wir anerkennen und stärken.

Dafür wollen wir die bürokratischen Hürden für Engagement, zum Beispiel auch digital vernetzte Formen, ab- und Bildungsangebote für Engagierte ausbauen sowie die Förderpolitik neu aufstellen. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt wollen wir zu einer echten Förderstiftung weiterentwickeln, die lokal und dezentral Organisationen unterstützt.

Wir wollen die Jugendfreiwilligendienste (wie das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr) und den Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze jährlich verdoppeln. Die Freiwilligendienste sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern engagieren können.

WIR GESTALTEN DIE VIELFÄLTIGE EINWANDERUNGSGESELLSCHAFT

Nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können, auch für anerkannte Geflüchtete gilt ein beschleunigtes und vereinfachtes Einbürgerungsverfahren. Den Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit anerkennen. Für binationale Familien und Paare wollen wir die Einreise unbürokratisch und fair gestalten.

Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft. Wir erleichtern die Bildungsmigration über Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Wir beenden den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.

Wir treten dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen, gut erreichbaren und bundesfinanzierten Sprach- und Integrationskursen haben. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind eine dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der unterschiedslose Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben, brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung.

Wir wollen, dass Asylverfahren rechtssicher, fair und transparent gestaltet sind und eine Entscheidung in angemessener Zeit erfolgt. Insbesondere die Berücksichtigung erlittener geschlechtsspezifischer Verfolgung und die dazugehörige Beratung im Asylverfahren sind zu gewährleisten. Dazu gehören eine ausreichende personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Die auf mögliche 18 Monate verlängerte Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen wollen wir auf maximal drei Monate reduzieren. AnkER-Zentren in ihrer jetzigen Form lehnen wir ab. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz und integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage sowie Leistungskürzungen abschaffen. Wir wollen insbesondere den Schutz von Geflüchteten garantieren, die Menschenrechtsverletzungen erlebt haben oder schwer erkrankt sind.

Mehr als 200.000 Menschen sind nur geduldet. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung hangeln müssen, möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung wollen wir in Aufenthaltsrechte umwandeln. Opfer von Menschenhandel sollen ein sicheres Bleiberecht bekommen. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Aufenthaltsrecht erhält, muss zügig wieder ausreisen, sofern keine Abschiebehindernisse entgegenstehen.

WIR RÜCKEN FEMINISMUS, QUEERPOLITIK UND GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT IN DEN FOKUS

Geschlechtergerechtigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die wir intersektional denken. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll auch Kriterien der Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigen. Die neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven, verlässlich finanzierten und unabhängigen Institution ausbauen, die gesichertes Wissen zu den Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit zugänglich macht.

Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich ist ein strukturelles Problem. Wir brauchen eine Erweiterung der Kriminalstatistik, damit das Ausmaß von in Deutschland verübten Femiziden und anderen Straftaten, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert erfasst wird und diese Taten systematisch als Hasskriminalität eingestuft werden. Das Gewaltschutzgesetz muss evaluiert und novelliert werden. Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum wollen wir nicht hinnehmen.

Es müssen deutlich mehr Frauenhausplätze geschaffen werden, auch im ländlichen Raum. Für die Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht schlechtergestellt werden. Wir brauchen Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter sind, mit aufgenommen werden können. Auch Männer, die Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden sind, brauchen Unterstützung und Zufluchtsräume. Dieses Angebot wollen wir ausbauen. Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für queere, nichtbinäre Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden.

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung werden wir konsequent bekämpfen. Dazu wollen wir auch einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel auflegen. Opfer von Menschenhandel einfach abzuschieben, ist falsch. Alle Menschen, die von Zwangsverheiratungen bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Von weiblicher Genitalverstümmelung Betroffene wollen wir helfen und sie schützen. Organisationen, die sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen. Das Prostituiertenschutzgesetz werden wir überarbeiten mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der legalen Prostitution zu verbessern. Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, unterstützen wir durch individuelle Hilfen und Beratung bei der Umorientierung.

Die Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, ist allein ihre. In dieser Zeit sind gute Beratungs- und Versorgungsstrukturen notwendig. Wir streiten für eine ausreichende und wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es braucht eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Um Ärzt*innen vor drohenden Anzeigen zu schützen, gilt es insbesondere den § 219 a schnellstmöglich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. In einem ersten Schritt müssen die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung für Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen und Geringverdiener*innen unbürokratisch übernommen werden.

Wir wollen den Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität durch die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes sicherstellen. Das Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer sowie transgeschlechtliche Personen wollen wir aufheben. Gegen LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Wir wollen mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne für junge Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten informieren und bezüglich Homo-, Bi-, Trans- und Queerfeindlichkeit sensibilisieren. Queerfeindliche Straftaten sollen statistisch gesondert erfasst werden.

Wir werden dafür sorgen, dass das Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens auf Antrag der betroffenen Person werden wir ermöglichen, ohne dass dafür psychologische Zwangsgutachten notwendig sind. Wir schreiben fest, dass alle nicht notwendigen Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern verboten werden. Den Anspruch auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir gesetzlich verankern.

WIR STÄRKEN SICHERHEIT UND BÜRGER*INNENRECHTE

Für ihre Aufgaben wie Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung und den Schutz der Grundrechte wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und auf dem Land, analog und digital. Den früheren Personalabbau bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt wollen wir durch eine Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben und gleichzeitig spezialisierte Ausbildungen und Studiengänge ermöglichen. Sicherheit darf keine Frage der sozialen Schicht, der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität, des Aussehens oder des Wohnorts sein. Damit die Polizei ihren komplexen Aufgaben nachkommen kann, muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Wir werden die Kontrollbefugnisse der Bundespolizei so ausgestalten, dass sie nicht mehr zu Racial Profiling führen, und die Einführung sogenannter Ticketsysteme erproben, um Gründe für polizeiliche Kontrollen für die Betroffenen transparent zu machen. Polizist*innen sollten sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Besondere Belastungen im Dienst sollen regelmäßig, beispielsweise im Rahmen von Supervision, nachbereitet werden. Längst überfällig sind unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.

Wir wollen gemeinsame europäische Polizeiteams, die Aufwertung von Europol zu einem Europäischen Kriminalamt sowie eine engere justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Wegen der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe Datenschutzstandards und eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar.

Wir wollen den Verfassungsschutz strukturell neu aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen, wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung. Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet.

Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich auch transnational immer stärker vernetzen. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der Sicherheitsbehörden – muss Priorität für alle Sicherheitsorgane haben. Wir werden unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden initiieren, Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Rechtsextreme müssen konsequenter und zügiger als bisher aus Sicherheitsbehörden entfernt werden. Hierfür wollen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Auf Bundesebene wollen wir einen Fonds für Opfer und Betroffene, insbesondere rechtsextremer, rassistischer oder islamistischer Gewalt, einrichten.

Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch effektive intersektional ausgerichtete Präventionsarbeit, bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung von sogenannten Gefährder*innen. Offene Haftbefehle müssen konsequent vollstreckt und laufende Verfahren über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden, auch über Ländergrenzen, muss reformiert werden. Aussteigerprogramme für Menschen aus der rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ebenso ausbauen wie Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer und deren Angehörige.

Wir wollen die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen – außer für Jäger*innen, die ohne diese Waffen ihre Aufgaben nicht erfüllen können – schrittweise beenden. Auch im Bereich des Schießsports setzen wir uns im Dialog mit Sportschütz*innen für die Umstellung auf nichttödliche Schusswaffen ein.

Wir wollen, dass sich der Bund stärker im Bereich des Katastrophenschutzes engagiert und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mehr Kompetenzen bekommt. Das freiwillige und Spontanhelfer* innen-Engagement wollen wir weiter stärken. Außerdem setzen wir uns für eine Stärkung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes ein, um die interdisziplinäre Bekämpfung von zukünftigen Pandemien sicherzustellen.

Missstände in Unternehmen, Behörden und anderen Bereichen wie Doping im Sport bis hin zu kriminellen Aktivitäten in Unternehmen und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen. Diese „Whistleblower*innen“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien aus dem Aus- und Inland, gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt werden.

Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, auf valider Empirie beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden. Wir stellen dazu eine Überwachungsgesamtrechnung auf, die laufend fortgeführt wird. Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Gesichtserkennung, lehnen wir ebenso ab wie die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten.

WIR GARANTIEREN DEN RECHTSSTAAT UND STÄRKEN DEN VERBRAUCHERSCHUTZ

Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt: Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir Unternehmen künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken.

Den kollektiven Rechtsschutz wollen wir verallgemeinert und vereinheitlicht in die Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer Gruppenklage ermöglichen. Die Zugangsschranken sollen gesenkt, die Verfahren vereinfacht sowie die Beratungs- und Prozesskostenhilfe gestärkt werden. Die Verbandsklage-Richtlinie der EU setzen wir verbraucherfreundlich und zügig in nationales Recht um.

Häusliche Gewalt muss in Entscheidungen über Besuchs- und Sorgerecht berücksichtigt werden. Es gilt den Kinderschutz vor Gericht zu stärken und die Meinung von Kindern zu berücksichtigen. Im familiengerichtlichen Verfahren braucht es entsprechende interdisziplinäre Angebote, wie zum Beispiel Childhood-Häuser. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss konsequent aufgeklärt und verfolgt werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf Internetkriminalität spezialisiertes – Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.

Wir wollen Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden. Telefonisch abgeschlossene Verträge sollen erst gelten, wenn sie nachträglich bestätigt werden.

Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Elektronische Geräte müssen möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sein, auch die Software. Mindestens für die erwartbare Lebensdauer müssen Ersatzteile und Softwareupdates kostengünstig erhältlich sein. Wir wollen die Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre, die Erweiterung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre und eine Angabe der vom Hersteller vorgesehenen Lebensdauer erreichen.

Wir wollen eine einheitliche und transparente Finanzberatung im Sinne der Kund*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen. Mit Standardprodukten in der Altersvorsorge senken wir die Kosten insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren, insbesondere für das Basiskonto, werden wir begrenzen.

WIR FÖRDERN DIE KULTUR, DIE KÜNSTE UND DEN SPORT

Wir wollen Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Eine nachhaltige Strategie muss unter anderem die Kommunalfinanzen als eine wichtige Grundlage für das Kulturleben stärken, mehr Kooperationen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -projekten ermöglichen sowie den Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung und Abriss sichern. Ebenso braucht es eine gleiche Wertschätzung bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen für alle Kulturformen und -sparten.

Für eine vielfältige Kulturlandschaft müssen Kulturschaffende und Kreative besser abgesichert werden. Wir setzen uns für gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und faire Bezahlung ein. Die Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt und Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft in der KSK werden. Es muss sichergestellt werden, dass Urheber*innen für ihre Werke eine angemessene Vergütung erhalten.

Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen und stärken und vor allem Kulturangebote fördern, die die Situation und die Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden, die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren.

Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise spielen. Es gibt viele Initiativen und Akteur*innen, die mit großem Einsatz versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten. Dieses Engagement werden wir unterstützen.

Den Film als prägendes Medium des Bewegtbildes und Kinos als öffentliche Kulturorte wollen wir angesichts des schnellen Wandels der Produktions- und Vertriebsformen stärken. Wir entflechten die Struktur aus Fernsehsendern und einer Vielzahl an Gremien und richten unser Augenmerk verstärkt auf die Förderung von Stoffen und Drehbüchern sowie des Nachwuchses. Quoten sorgen dafür, dass Frauen im Film gleiche Chancen haben. Kinos und Festivals unterstützen wir durch verlässliche Förderinstrumente.

Erinnerungskultur ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Der Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet werden. Auch den Verpflichtungen gegenüber Ländern, die unter der deutschen Besatzung gelitten haben, ist nachzukommen. Die SED-Diktatur soll weiter aufgearbeitet werden. Erinnerungsorte an die friedliche Revolution von 1989 werden wir in Bundesträgerschaft fördern. Wir setzen uns für unbürokratische und höhere Entschädigungsleistungen für die Opfer und Verfolgten der SED-Diktatur ein. Wir wollen rechtliche Regelungen für die Rückgabe von Raubkunst der NS- und der DDR- Zeit schaffen. Durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte werden wir die Kontinuitäten des Kolonialismus ins Bewusstsein rücken. Dazu gehören unter anderem die kritische Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen, eine umfängliche Provenienzforschung, Digitalisierung und transparente Veröffentlichung sowie verbindliche Regelungen zur Rückgabe von Kulturerbe aus kolonialen Kontexten.

Der Sport übernimmt eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben, auch für Menschen mit einem geringen Einkommen. Dies werden wir fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Die Teilhabe von Frauen im Sport und die Diversität von Sportler*innen und Athlet*innen muss sich auch in der Besetzung von Entscheidungsgremien niederschlagen. Wir wollen einen Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen. Ein besonderer Fokus muss dabei auf strukturschwachen Regionen liegen. Wir wollen, dass Bewegungs- und Sportflächen in der Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden Anlagen saniert werden können. Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten. Die Entwicklungen von E-Sport und Gaming werden wir insbesondere im Hinblick auf Diversität, Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern.

Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Leistungssport muss es um die bestmögliche Förderung von Talenten gehen und nicht um die Fixierung auf eine bestimmte Medaillenanzahl. Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven insbesondere für den Nachwuchs in den Mittelpunkt stellen. Die soziale und pädagogische Arbeit von Trainer*innen im Ehrenamt und Hauptberuf wollen wir aufwerten. Die Dopingvergangenheit gilt es lückenlos aufzuklären, Dopingopfer unterstützen wir angemessen. Beim Fußball als Publikumssport gilt es, die Partizipationsmöglichkeiten von Fans zu erhöhen und ihn wieder stärker gesellschaftlich zu verankern. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport vorangetrieben werden. Die Einhaltung von Menschenrechten muss bei der Vergabe von Sportgroßereignissen zur Voraussetzung gemacht werden.

WIR BAUEN EUROPA WEITER

Wir wollen die Europapolitik aktiv und koordiniert gestalten – mit klarem Wertekompass, entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im Zusammenspiel mit unseren europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine demokratisch gestärkte EU, die zusammenhält, voranschreitet und ihr ganzes Gewicht gegen die Klimakrise und das Artensterben in die Waagschale wirft. Wir stehen ein für ein vereintes Europa ohne Schlagbäume, denn die Freizügigkeit ist eine der größten Errungenschaften des europäischen Projekts. Die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Verträge bietet dafür gute Möglichkeiten und muss stets im Bestreben, dass sich letztlich alle anschließen können, und mit vollen Parlamentsrechten erfolgen.

Das Europäische Parlament soll Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes Haushaltsrecht erhalten und die Kommission auf Vorschlag der Kommissions-Präsident*in wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Die Bürger*innen sollen mit ihrer Stimme auch die/den nächste*n Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig über EU-weite, transnationale Listen ins Europaparlament einziehen. Die Unionsbürger*innenschaft soll zu einer europäischen Staatsbürger*innenschaft fortentwickelt werden. Wir wollen, dass alle EU-Bürger*innen, die ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, nicht nur bei Kommunal- und Europawahlen, sondern perspektivisch auch bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen dürfen.

Wir setzen uns dafür ein, für alle Politikbereiche, in denen heute noch im Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch wichtig, um bei weiteren Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern.

Wir wollen ein EU-weites Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht einführen, mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung. Das würde Vereine dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen. Bürger*innen sollen die Einberufung von Europäischen Zukunftskonferenzen oder Bürger*innenräten fordern können, von denen auch eine Reform der Verträge angeregt werden kann.

Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der EU-Gesetzgebung ein, bis zu denen eine öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Die EU arbeitet bei Interessensvertreter*innen bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen zusätzlich ein verbindliches Lobbyregister für alle EU-Institutionen, striktere Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft und einen „legislativen Fußabdruck“, durch den die Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird.

Wir wollen die EU-Grundrechtecharta langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in ihren Rechten zu stärken. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von Subventionen folgen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen direkt von der EU gefördert werden können. Wir wollen Minderheitenrechte wie den Erhalt von Sprache, Kultur und Identität sowie Namensführung in der EU stärken.

Wir setzen uns für eine europäische, digitale Medienplattform in öffentlicher Trägerschaft ein. Sie bündelt europaweit qualitativ hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und mehrsprachig – und kann auch für die Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen als Kommunikationsplattform dienen. Die Grundlage bildet ein öffentlich-rechtlicher Auftrag. Sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen Rundfunkanstalten und agiert frei von jedweder politischer Einflussnahme.

Die Wettbewerbsregeln des Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU-Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir unter anderem Städtepartnerschaften stärken, Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität fördern sowie das Konzept der European Universities weiterentwickeln. Kommunen und Regionen brauchen mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter anderem über einen gestärkten Ausschuss der Regionen. EU-Haushaltsmittel sollen künftig auch verstärkt kommunalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen direkt bereitgestellt werden.