Das GRÜNE Wahlprogramm. Dritter Teil: Solidarität sichern

Sozialstaat, Ökologie und Marktwirtschaft werden in unserem Wahlprogramm ganzheitlich adressiert, ein Punkt, den auch Joe Kaeser in einem ZEIT-Interview als positiv im Vergleich zu allen anderen Parteien hervorhebt. Im Rahmen dieses ganzheitlichen Konzepts spielt die Solidarität innerhalb der Gesellschaft und damit die Grundlage harmonischen Zusammenlebens für alle Generationen, Herkunfts-, Bildungs- und Einkommensschichten eine ganz wesentliche Rolle. Und so betrachten wir in diesem Newsletter die Programmelemente:

WIR FÖRDERN KINDER, JUGENDLICHE UND FAMILIEN
WIR SORGEN FÜR GUTE ARBEIT UND FAIRE LÖHNE
WIR SCHAFFEN GERECHTIGKEIT ZWISCHEN DEN GESCHLECHTERN
WIR SICHERN DIE SOZIALEN NETZE
WIR GEBEN GESUNDHEIT UND PFLEGE EINEN NEUEN WERT
WIR SCHAFFEN BEZAHLBAREN WOHNRAUM
WIR INVESTIEREN IN LEBENSWERTE DÖRFER UND STÄDTE

Für den folgenden Text habe ich die Inhalte des Wahlprogramm-Kapitels „Solidarität sichern“ auf etwa ein Drittel des Originalumfangs eingedampft. Ich hoffe, dass damit das Lesen weniger anstrengend ist und dass wesentliche Aussagen besser im Gedächtnis bleiben.
Gerhard Seitfudem

Und darum geht es im Einzelnen:

WIR FÖRDERN KINDER, JUGENDLICHE UND FAMILIEN

Wir werden sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Alle Kinder und Jugendlichen sollen über ihre Rechte informiert sein und altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Jugendverbände wollen wir mit einem Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Politische Bildung in Kitas, Schulen und Jugendhilfe stärken wir konzeptionell und finanziell.

In einem Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen. Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sind in eine neue eigenständige Leistung, die Kindergrundsicherung, zusammenzufassen. Damit bekommt jedes Kind einen Garantie-Betrag, ergänzt um einen GarantiePlus-Betrag bei Familien mit niedrigem oder gar keinem Einkommen. Dafür wird neu ermittelt, was Kinder zum Leben brauchen.

Die Kinder- und Jugendhilfe, die Familien beim Aufwachsen der Kinder begleitet, wollen wir stärken. Jugendämter müssen besser ausgestattet, Fachkräfte durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung entlastet werden. Mit einem Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass sich die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe künftig auch an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und deren Eltern richten.

Wir stärken die digitale Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe. Kinder aus finanzschwachen Familien sollen Laptops erhalten, wenn sie sie benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen Schutz im Netz vor Straftaten wie Hassrede, Cybergrooming, sexualisierte Gewalt oder Mobbing. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.

Gegen sexualisierte Gewalt gehen wir hart vor. Oberstes Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung (zum Beispiel bei den Ausbildungen in Jura, Medizin, Pädagogik und für die Polizei) und Schutzkonzepte dort, wo Kinder sich aufhalten und betreut werden. Wir werden spezialisierte Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.

Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden. Wird während der KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert sich der Bezugszeitraum. Der Anspruch auf ein Kinderkrankentagegeld soll auf 15 Tage pro Kind und Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage.

Alleinerziehenden wollen wir den Rücken stärken, unter anderem mit einem höheren Mindestunterhalt oder familienunterstützenden Dienstleistungen.

Co-Mütter sollen analog zu Vätern als zweites rechtliches Elternteil gelten. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die künstliche Befruchtung erhalten. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen, die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von der Ehe absichert.

 

WIR SORGEN FÜR GUTE ARBEIT UND FAIRE LÖHNE

Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf 12 Euro anheben. Leiharbeiter sollen den gleichen Lohn bekommen wie Stammbeschäftigte. Arbeitsverträge dürfen ohne sachlichen Grund nicht mehr befristet werden. Der Arbeitsschutz muss auch vor Stress, Burn-out und Diskriminierung schützen.

Wir wollen gute und sichere Jobs sowie weiter erhöhte Beschäftigung. Dafür brauchen wir  höhere öffentliche Investionen, mehr Gründungsgeist und Forschung und Innovation. Und wir wollen eine sozial gerechte Arbeitspolitik, um die Spaltung des Arbeitsmarktes zu überwinden.

Wir wollen, dass Tarifverträge wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte gelten. Und wir wollen es leichter machen, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte brauchen selbst mehr Schutz, außerdem brauchen wir erweiterte und modernere Mitbestimmungsrechte.

Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen wir erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit starken Schutzkriterien versehen. Ein Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.

Beschäftigte in der Pflege, in der die Belastung besonders groß ist, wollen wir mit besseren Arbeitsbedingungen unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Für alle Arbeitnehmer wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten.

Die Arbeitslosenversicherung wollen wir zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Dazu gehört ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung und Stärkung der beruflichen Qualifikation. Bildungsagenturen sollen Menschen bei der Neuorientierung unterstützen. Für alle Selbstständigen schaffen wir eine Zugangsmöglichkeit zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung mit Wahltarifen.

Arbeitsrecht und Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit nicht neue Formen von Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wer für Plattformen tätig wird, muss sich leichter tariflich organisieren können. Mit Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und den allgemeinen Geschäftsbedingungen wollen wir für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.

Wir wollen, dass alle bei uns Beschäftigten aus anderen Ländern genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dazu braucht es unter anderem eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere Mindeststandards für Unterkünfte und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.

 

WIR SCHAFFEN GERECHTIGKEIT ZWISCHEN DEN GESCHLECHTERN

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Wir werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Wir setzen uns dafür ein, dass in Berufen, die vor allem von Frauen ausgeübt werden, bessere Arbeitsbedingungen gelten, bessere Bezahlung oder bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wir wollen die Absicherung von Frauen in allen Lebensphasen stärken. Wir wollen eine gendersensible Berufsberatung und damit das eingeschränkte Berufswahlverhalten erweitern. Kluge Zeitpolitik soll es Partner*innen erleichtern, Arbeit geschlechtergerecht aufzuteilen.

Das bisherige Steuerrecht privilegiert Ehen, hemmt die Erwerbstätigkeit von Frauen und lässt Alleinerziehende und nicht verheiratete Paare außen vor. Der heute über Gebühr belastete Zweitverdiener soll entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird.

 

WIR SICHERN DIE SOZIALEN NETZE

Hartz IV wollen wir durch eine Garantiesicherung mit schrittweise erhöhten Regelsätzen ersetzen, die vor Armut schützt und das soziokulturelle Existenzminimum garantiert. Mit der Abschaffung der bürokratischen Sanktionen wollen wir den Jobcentern Raum und Zeit für wirkliche Arbeitsvermittlung und Begleitung geben. Die Anrechnung von Einkommen werden wir attraktiver gestalten, Vermögen werden unbürokratischer und mit Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.

Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt wohnen, lernen und arbeiten können und die Unterstützung wählen, die sie dafür brauchen. Arbeitgeber*innen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, wollen wir besser unterstützen. Das Bundesteilhabegesetz ist weiterzuentwickeln, Anträge auf Teilhabeleistungen müssen einfach sein und Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.

Wir werden die IT-Infrastruktur an Hochschulen stärken. Der Zugang zu Forschungsdaten soll erleichtert werden. Die dadurch anstehende Reform der Finanzierung wissenschaftlicher Publikationen darf nicht zu Lasten der Forscher*innen gehen. Wir wollen die nationale Forschungsdateninfrastruktur stärken und die Chancen einer europäischen Cloud für Wissenschaft und Forschung ergreifen. Außerdem brauchen wir moderne Bibliotheken, Lehr- und Lernräume und die klimafreundliche Sanierung in die Jahre gekommener Hochschulbauten.

Wir wollen eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards europaweit garantiert, mit gemeinsamen europäischen Arbeits- und Sozialstandards, angepasst an die jeweilige ökonomische Situation. Wir wollen länderspezifische Mindestlöhne und eine Stärkung der Europäischen Betriebsräte.

Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer verbessern. Nicht abgesicherte Selbstständige und Abgeordnete sollen in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Die Grundrente wollen wir zu einer echten Garantierente weiterentwickeln.

Die Riester-Rente wollen wir durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. In den Bürgerfonds zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. Der Fonds wird politisch unabhängig verwaltet, investiert nachhaltig und langfristig und gewährleistet eine attraktive Rente bei überschaubarem Risiko. Alle Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.

Ein neu zu schaffendes Bundesinstitut für Gesundheit soll gemeinsam Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Die finanzielle, personelle und technische Ausstattung der Gesundheitsämter muss dauerhaft verbessert werden. 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben sollen in den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließen. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden, pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden, etwa durch Community Health Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.

Um die gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden, mit einer gemeinsamen Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen und kommunalen Gesundheitszentren, in denen alle Gesundheitsberufe auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Gesundheits- und Pflegeberufe sollen mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich übernehmen können. Die Vergütung von Therapieberufen muss verbessert, das Schulgeld für solche Ausbildungen abgeschafft werden.

Kliniken sollen in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Welche Angebote es vor Ort gibt, soll sich nicht danach richten, was sich rentiert, sondern danach, was nötig ist. Krankenhäuser mit fehlender Auslastung sollen zu leistungsfähigen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren ausgebaut werden.

Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen organisatorisch zusammengefasst werden. Notaufnahmen sind gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen und Hausärzte so zu unterstützen, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden können.

Wir wollen ambulante Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeuten schaffen. Wir brauchen eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung. Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, müssen berücksichtigt werden. Bei der Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss nachgebessert werden.

Wir brauchen Verbesserungen für freiberufliche Hebammen und eine Reform der Haftpflicht für Gesundheitsberufe. Geschlechtsspezifische Aspekte, etwa bei der Medikamentenforschung oder bei der Medizin und Pflege, sind stärker zu berücksichtigen.

Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Das betrifft insbesondere Menschen mit Behinderungen und LSBTIQ*. Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls einen Zugang zu guter medizinischer Versorgung erhalten, zum Beispiel durch einen anonymen Krankenschein.

Statt der Zwei-Klassen-Medizin brauchen wir eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung, an der sich auch Beamte, Selbstständige, Unternehmer*innen und Abgeordnete mit einkommensabhängigen Beiträgen beteiligen. Auch Beiträge auf Kapitaleinkommen sollen erhoben werden. Wir verbessern auch die Versorgung gesetzlich Versicherter (zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen) und sorgen dafür, dass die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen beendet wird und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten können, besser abgesichert sind.

Wir wollen die Digitalisierung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung nutzen. Die digitale Patientenakte muss weiterentwickelt werden, eigene Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen einfach zugänglich sein. Für Forschungszwecke müssen die Daten anonymisiert weitergegeben werden, jedoch nicht gegen den Willen der Patient*innen.

Wir brauchen mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen. Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen. Mit der PflegeZeit Plus wollen wir Menschen unterstützen, die Verantwortung für andere übernehmen. Das beinhaltet auch eine bis zu dreimonatige Freistellung und eine Lohnersatzleistung.

Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die Eigenanteile schnell senken, dauerhaft deckeln und verlässlich planbar machen. Mit einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung der Pflege beteiligen.

Wir wollen durch verbindliche Personalbemessung in der Pflege, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften, gute Löhne und die Einführung der 35-Stunden-Woche Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen viele Menschen gerne in der Pflege arbeiten. Die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.

Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir wollen mit einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Verbot aufheben und einen kontrollierten, legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Wir brauchen bundesweit niedrigschwellige Möglichkeiten zum Drugchecking, die Ausgabe sauberer Spritzen und eine Evaluierung des heutigen Betäubungsmittelrechts.

 

WIR SCHAFFEN BEZAHLBAREN WOHNRAUM

700.000 Menschen in Deutschland sind derzeit wohnungslos. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. Und wir wollen ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Mieter*innen wollen wir entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung bewahren.

Wir werden die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen und verstetigen. Kommunen werden wir unterstützen, ihre bestehenden Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Bundeseigene Bestände sollen verbilligt an Kommunen mit dauerhafter Sozialbindung abgegeben werden. In den nächsten zehn Jahren wollen wir den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million erhöhen.

Wir wollen Mietobergrenzen im Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisgrenze entfristen und nachschärfen. Wir wollen qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten und rechtssicher ausgestalten. Mieter*innen wollen wir es erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Die Modernisierungsumlage wollen wir weiter absenken und auf maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter begrenzen, damit energetische Sanierungen perspektivisch warmmietenneutral möglich sind.

Wir wollen ein Immobilienregister der Eigentümer einführen, die Grundbücher bei berechtigtem Interesse kostenfrei zugänglich machen und Bargeld beim Immobilienverkauf verbieten. Die Spekulation mit Bauland soll unterbunden werden. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir vorgehen.

Die öffentliche Hand muss wieder eine strategische Bodenpolitik betreiben. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wollen wir in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln, der neue Flächen strategisch zukauft und an gemeinwohlorientierte Träger überträgt. Die Einnahmen des Fonds werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.

Wir wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Wer den Makler bestellt, bezahlt. Die Courtage wollen wir auf 2 Prozent begrenzen. Die Beteiligungen an Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir unterstützen.

Wir treiben ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen voran. Wir setzen auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und eine Holzbaustrategie und fördern die Digitalisierung am Bau. Wir setzen auf eine behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit Förderprogrammen.

 

WIR INVESTIEREN IN LEBENSWERTE DÖRFER UND STÄDTE

Auch in strukturschwachen Regionen brauchen wir eine gute Infrastruktur in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund und Ländern eine neue Gemeinschaftaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz einführen. Für zentrale Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir Mindeststandards formulieren. Wir brauchen Orte des Miteinanders, gegen die Einsamkeit, für gesellschaftlichen Zusammenhalt; das kann ein Marktplatz sein, ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen. Wir fördern Wohnprojekte für alle Generationen, Co-Working und gemeinschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln.

Viele Kommunen schaffen es nicht einmal mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben nachzukommen. Wir wollen die Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen und mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Insbesondere finanzschwachen Kommunen ist der Zugang zu Fördermitteln zu erleichtern.

Wir wollen die Innenstädte retten, Stadtzentren und Ortskerne lebenswerter und attraktiver machen. Die Städtebauförderung ist neu auszurichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen. Wir unterstützen den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der örtliche Einzelhandel attraktive Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung und Leerstand an.

Ländlich leben, digital arbeiten: Wir werden einen Rechtsanspruch auf schnelle Breitband- und Mobilfunkversorgung einführen. Das schnelle Internet soll sich nicht am Minimalstandard orientieren, sondern an den Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit. Beim Mobilfunk gilt es, eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem Netz man surft. Notfalls muss dafür lokales Roaming angeordnet werden, mit entsprechender Vergütung.

Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Dazu ist der Abbau von Barrieren in Wohnungen und im Wohnumfeld stärker zu fördern, auch beim Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Ansprechstellen und Gemeindezentren sollen über altersgerechtes Wohnen, Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung informieren sowie über Möglichkeiten, sich im Dorf oder im Stadtteil zu informieren.