Dramatische Baumverluste in Deutschland

Kaum wahrgenommen im Hintergrund des Invasionskriegs in der Ukraine: Der am 27. Februar veröffentliche Bericht des Weltklimarats („IPCC-Bericht“) zu Impacts (Auswirkungen), Adaptation („Anpassung“) und Vulnerability („Verwundbarkeit“). Dieser Bericht, in dem es um im letzten Newsletter erklärte globale Belastungsgrenzen geht, wird Thema eines unserer nächsten Newsletter sein. Heute betrachten wir einen kleinen Ausschnitt aus dem großen Komplex der Auswirkungen der Klimakrise: Waldverluste in Deutschland.

Übersichtskarte der Baumverluste in Deutschland.
Grafik: DLR/Thonfeld, Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Für unser Klima, die Pflanzen- und Tierwelt brauchen wir gesunde Bäume und Forstgebiete sowie eine Zunahme des Baumbestands. Tatsächlich geht der Trend aber in die andere Richtung. Eine Bestandsaufnahme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der Basis von Satellitenaufnahmen von Januar 2018 bis April 2021 zeigt, wieviel Baumbestand bei uns durch Absterben oder Entnahme verlorengegangen ist: Die Baumverluste betreffen eine Fläche von 501.000 Hektar, neunmal so viel wie die Fläche unseres Landkreises, fast fünf Prozent der gesamten deutschen Waldfläche. Als Grund für diesen Rückgang sieht man die starken Hitze- und Dürreperioden dieser Jahre und den durch sie verstärkten Befall durch Schadinsekten. Entweder starben die Bäume ab oder sie wurden Opfer großflächiger Notfällungen, bei Fichten oft der letzten Maßnahme bei massivem Schädlingsbefall, durch die man die weitere Ausbreitung des Borkenkäfers verhindern will.

Vor allem die Mitte Deutschlands mit ihren Nadelwäldern ist betroffen – von der Eifel über das Sauerland, den Harz und den Thüringer Wald bis in die Sächsische Schweiz (siehe Bild). Nordrhein-Westfalen verlor innerhalb von drei Jahren mehr als ein Viertel seiner Fichtenwälder, in einigen Landkreisen waren es sogar mehr als zwei Drittel. Aber auch Eiche, Buche und Kiefer sowie seltenere Arten wie Bergahorn oder Lärche weisen starke Schäden auf.

Die Satellitenaufnahmen ermöglichen derzeit eine detaillierte Datenerfassung mit einer zeitlichen Auflösung von einem Monat und einer räumlichen Auflösung von zehn Metern – ein Verfahren, das sich ebenso für andere Länder und Regionen anwenden lässt und damit eine große Bedeutung im Kampf gegen die Klima- und Umweltkrise bekommen könnte. Auch als Ergänzung des jährlich veröffentlichten „Waldzustandsbericht“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der auf etwa 10.000 stichprobenartig erfassten Bäumen basiert.

Großflächige Waldschäden sind nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Thema. Nachbarländer wie Tschechien oder Österreich stehen ähnlichen Herausforderungen gegenüber. Mittelfristig setzt sich voraussichtlich die Tendenz fort, dass noch weitere Bestände verloren gehen. Bis sich das Ökosystem Wald erholt, kann es einige Jahrzehnte dauern. Für Deutschland und Europa ist es daher dringend notwendig, schnell effiziente Maßnahmen zum Schutz der Wälder zu ergreifen.

Der Anteil des Waldbestands in Deutschland „ohne direkte menschliche Eingriffe“ lag Ende 2020 bei etwa 355.000 ha, das sind 3,1 Prozent der Waldfläche in Deutschland. Dabei gibt es eine 2007 verabschiedete „Nationale Strategie für die Biologische Vielfalt“, die für das Jahr 2020 einen Zielwert von fünf Prozent anstrebt und die auf einer UN-Konvention von 1992 basiert. Wie an vielen anderen Stellen hat auch hier die deutsche Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Umso wichtiger ist es, aktiv zu werden, in unserer Region zum Beispiel mit dem etwa 10.000 ha großen Nationalpark im Steigerwald. Lasst uns alle dazu beitragen, den Komplex Aufforstung und Waldschutz in Kommunen, Landkreisen, Regierungsbezirken, Ländern und Bund zu einem der Kernthemen deutscher Umweltpolitik zu machen. Und wenn die bayerische Staatsregierung meint, das wäre für Bayern nicht so wichtig, weil es dem bayerischen Wald besser geht als den Wäldern in NRW oder Thüringen, dann müssen wir ihr klarmachen, dass jeder Hektar zählt. Auch Nichthandeln ist Baumfrevel.

Gerhard Seitfudem