Starten wir mit einem Zitat aus der am 13.1.2022 vorgestellten Eröffnungsbilanz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima: „Diese Eröffnungsbilanz ist der Startschuss für die Arbeit an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, mit dem die neue Bundesregierung alle notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen so auf den Weg bringt, dass die Verfahren bis Ende 2022 abgeschlossen sind. Selbst mit diesem ehrgeizigen Zeitplan werden viele Erfolge erst in einigen Jahren zu sehen sein.“
Die Ziele der Regierung basieren zum Teil auf den im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten jährlich sinkenden Jahresemissionsmengen für die einzelnen Sektoren, auf EU-Vereinbarungen und dem von der Internationalen Energieagentur (IEA) im Mai 2021 vorgelegten globalen 1,5-Grad-Pfad. Im Bundes-Klimaschutzgesetz ist rechtlich verbindlich festgeschrieben, bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent zu mindern; die vorgegebenen jährlichen Klimaschutzziele für die Sektoren gelten ab 2021.
Wichtig für alle Kritiker*innen der Regierungsarbeit ist es zu realisieren, dass es nicht nur um die vordergründig sichtbaren Elemente der Energiewende geht (etwa klassische Energieversorgung, Wärme und Verkehr), sondern insbesondere auch um die Umstellung der Industrie auf nachhaltige Energieversorgung – und das ist ein Riesenbrocken.
Was sind die nächsten Schritte?
Ein erstes Paket mit besonders eilbedürftigen Gesetzen und Vorhaben soll im Frühjahr im Kabinett beschlossen werden. Ziel ist es, bis dahin auch die Ressortabstimmung zum Gesamtprogramm abzuschließen, sodass anschließend Länder, Verbände und der Expertenrat für Klimafragen beteiligt werden können. Was bis zum Frühjahr nicht abgeschlossen werden kann, muss spätestens im Sommer 2022 vom Kabinett beschlossen werden.
Zu den besonders eiligen Maßnahmen zählen unter anderem:
- EEG-Novelle
Darin sollen die Weichen für 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 gestellt werden. Dafür werden die Ausschreibungsmengen erhöht und die technologiespezifischen Mengen anwachsend geplant. Dabei wird für 2030 ein künftiger jährlicher Brutto-Stromverbrauch von 715 TWh unterstellt. Dazu wird der Grundsatz gesetzlich verankert, dass der EE-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient.
- Solarenergie
Geplant ist ein Solarbeschleunigungspaket mit einem breiten Bündel an Einzelmaßnahmen. Hierzu zählen unter anderem „eine Verbesserung beim Mieterstrom, die Anhebung der Ausschreibungsschwellen und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien“. Außerdem soll gesetzlich geregelt werden, dass alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden sollen. Bei gewerblichen Neubauten wird Solarenergie verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel.
- Windenergie
Kurzfristig sind Flächenpotenziale für Wind an Land zu erschließen, der Ausbau der Windenergie wird mit einem Wind-an-Land-Gesetz gefördert. Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren sind zu reduzieren und eine bessere Vereinbarkeit des Windausbaus mit militärischen Interessen zu schaffen. Daraus resultiert in Summe ein Potenzial von etwa 7 bis 9 GW. Mit dem neuen Gesetz werden zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie reserviert, der Windenergieausbau „mit dem Artenschutz versöhnt“ und die Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren geschaffen.
- Strompreissenkung
Vor allem im Vergleich zu fossilen Energieträgern soll Strom aus erneuerbaren Quellen günstiger werden. Das macht Wärmepumpen und E-Mobilität attraktiver und bringt die Sektorkopplung (also die Vernetzung von Strom-, Wärme- und Verkehrssektor) voran. Ab 2023 soll die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert werden. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage werden andere Umlagen (z. B. die Offshore-Netzumlage) in ein eigenes Gesetz überführt, damit die Industrie eine verlässliche und planbare Rechtsgrundlage erhält. Zum 1. Juni 2022 wird außerdem ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt, das die Umlage des CO2-Preises nach dem BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz, ein Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen) regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen geteilt.
- Klimaschutzverträge mit der Industrie
Für den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren benötigt die Industrie einen verlässlichen Förder- und Investitionsrahmen, der eine frühere Wirtschaftlichkeit klimaneutraler Produktionsverfahren gewährleistet. Dazu werden die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference, damit werden die Mehrkosten der klimafreundlichen Produktion ausgeglichen) als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie geschaffen.
- Wärmestrategie
Unmittelbar nach der beihilferechtlichen Genehmigung soll die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) in Kraft gesetzt und ihre Finanzierung aufgestockt werden. Ziele dabei sind ein sehr hoher Anteil der Erneuerbaren Energien und bis 2030 50 Prozent klimaneutral erzeugte Wärme. Zusätzlich wird Energieeffizienz gefördert, daher wird für das optimale Zusammenspiel beider Instrumente eine neue Gebäudestrategie zur Klimaneutralität erarbeitet. Der Klimaschutz im Gebäude sowie die Dekarbonisierung sollen entscheidend vorangebracht, eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung realisiert und der Ausbau der Wärmenetze vorangetrieben werden.
- Gebäudestandards und -förderung
Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sollen durch die Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes verlässliche Planungsgrundlagen für Investitionen geschaffen werden. Neubauten und Gebäudesanierungen sind auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 sowie einen deutlich reduzierten Energiebedarf auszurichten. Ab 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude soll die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes flankieren und bis 2025 den Markt durch effiziente Anreize an diese Schritte heranführen.
- Wasserstoffstrategie
Die Nationale Wasserstoffstrategie wird noch in diesem Jahr überarbeitet und zusätzliche Förderprogramme werden auf den Weg gebracht. Gegenüber den bisherigen Plänen ist es Ziel, die Produktion an grünem Wasserstoff bis 2030 zu verdoppeln.
Das sind die Elemente des in der Klimabilanz präsentierten Sofortprogramms. Im nächsten Newsletter gehen wir auf weitere im Zusammenhang mit der Klimabilanz geplante Maßnahmen ein.
Gerhard Seitfudem