Unsere Demokratie stärken – das politische Bildungsprogramm Respekt Coaches

Um unsere Demokratie wehrhaft zu halten, benötige jede Schule einen Demokratie-Scout und ein festes Budget für Demokratie-Projekte, schreibt die Kommission Demokratie und Bildung der Hertie Stiftung in ihrer Studie „Mehr und besser. Vorschläge für eine Demokratiebildung von morgen“ (September 2023).

Ein derartiges Programm gäbe es sogar tatsächlich schon, allerdings aktuell nur an rund 270 Standorten bundesweit und auch nur an weiterführenden Schulen und Berufsschulen. Es ist das Programm „Respekt Coaches“ JMD Respekt Coaches (lass-uns-reden.de). Es wurde 2018 vom BMFSFJ als Modellprojekt ins Leben gerufen. Der Name mag irreführend sein: So habe ich öfter erlebt, dass damit verbunden wurde, Respekt Coaches wären dazu da, für mehr Disziplin an Schulen zu sorgen, doch darum geht es natürlich nicht. Es geht um die Verinnerlichung von Respekt gegenüber dem Menschsein. Sich selbst und anderen gegenüber, also um den Wesenskern von Demokratie. Darum, eine andere Meinung (Hass ist keine Meinung) als eine gleichberechtigte Position wahrzunehmen. Anzuerkennen, dass das gleiche Recht auf freie Entfaltung für alle gilt. Die eigenen Grenzen kennen und die Grenzen der Anderen achten. Die Urteilsfähigkeit junger Menschen auszubilden, so dass sie in der Lage sind, eine fundierte Entscheidung treffen zu können und weniger anfällig für Manipulation sind. Lust auf Partizipation und Verantwortungsübernahme für unser Zusammenleben zu machen. Und vieles mehr.

Respekt Coaches sind an ihren Kooperationsschulen fest verankerte Fachkräfte. Sie verfügen dabei über ein jährliches Projektbudget und können auf ein weitreichendes Netzwerk von Trägern der politischen Bildungsarbeit zurückgreifen oder aber auch selbst Projekte durchführen. All dies geschieht in enger Abstimmung mit den Klassenleitungen, der Jugendsozialarbeit, der Schulleitung und nicht zuletzt mit den Schülerinnen und Schülern selbst. So können sie auf die jeweiligen Bedarfe eingehen und passgenaue Projekte anbieten, die dann in den Unterricht integriert und vor- und nachbereitet werden. Ich arbeite nun das dritte Schuljahr als Respekt Coach, berichte hier also aus einer Innenperspektive und nicht neutral. Die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte bestätigen mir jedoch, dass es sich hier um ein Programm handelt, das es lohnt, bekannt zu machen und auszubauen. Und zwar gerade jetzt.

Die Projekte folgen dem Leitmotiv „lass uns reden!“, sie wollen den Schüler*innen Räume zur Persönlichkeitsentwicklung schaffen. Die Themen, Formate und Methoden sind dabei vielfältig. Sie umfassen zum Beispiel die Stärkung von Selbstwirksamkeit, die Verbesserung des Klassenverbands, die Ausbildung von Resilienz gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie z.B. Rassismus, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit; die Förderung sozialer und interkultureller Kompetenzen, Zivilcourage, demokratische Teilhabe oder Medienkompetenz. Die Umsetzung erfolgt in AGs, Workshops, Projekttagen, Exkursionen, Unterrichtseinheiten, Vorträgen, Begegnungsformaten, Ausstellungen, theaterpädagogischen, kunstpädagogischen oder erlebnispädagogischen Angeboten – die Spielräume sind groß.

Eine zweijährige Evaluation hat „Respekt Coaches“ eine hohe Wirksamkeit und seine Relevanz bestätigt. Daher wurde den Trägern bis Mitte 2023 noch eine Überführung vom Modellprojekt in ein dauerhaftes Programm in Aussicht gestellt. Die Perspektive nach 2024 ist nun jedoch ungewiss. Angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft, angesichts der Zunahme von Fake News und Hass im Netz, angesichts der Demokratiemüdigkeit in der Gesellschaft und auch angesichts des Lehrkräftemangels, sollten derartige Programme fortgeführt und ausgeweitet werden. Es wäre eine Investition in die Jugend und in die Demokratie.

Lea Beifuß