Oft sind es die eher unscheinbaren Meldungen, die uns aufhorchen lassen sollten: In den letzten zwei Jahrzehnten sei die durchschnittliche Meereserwärmung von vorher 0,58 W/m2 auf 1,05 W/m2 gestiegen. Das hört sich erst mal harmlos an.
Würden die 1,05 W/m2 nur den obersten Meter Meerwasser aufwärmen, wären das über ein Jahr gerechnet 8 °C; das ist heftig. Eigentlich sollte sich das Meer gar nicht aufwärmen, seit etwa 1960 stellt man aber eine Erwärmung fest. Die Zunahme der Meereserwärmung harmoniert mit einer Berechnung der globalen Energiebilanz, die zwischen 1993 und 2022 eine Zunahme von 0,75 W/m2 ergibt. Nachzulesen ist das alles im aktuellen Copernicus Ocean State Report (OSR), veröffentlicht im September dieses Jahres. Auf der hier verlinkten Seite kann man den Report und seine Kurzfassung für Entscheider herunterladen.
Das Dokument beschäftigt sich mit „The Blue Ocean“ (dem physikalischen Zustand der Meere), „The Green Ocean“ (dem biologischen biogeochemischen Zustand der Meers) und „The White Ocean“ (dem Lebenszylus von Meereis in den Polarregionen).
Das sind die Kernaussagen des Reports:
- Starke und extreme marine Hitzewellen haben in den letzten 4 Jahrzehnten erheblich zugenommen – in Häufigkeit, Intensität, Dauer und Ausdehnung. 2023 waren 22% der Meeresoberfläche von ernsten oder extremen Hitzeereignissen betroffen.
- Im Nordostatlantik (also bei uns!) und umliegenden Meeren ist die von Hitzewellen betroffene Fläche von 20% im Jahr 1982 auf 90% im Jahr 2023 gestiegen.
- Eine marine Hitzewelle im Mittelmeer reichte bis in 1500 Meter Tiefe. Während die Hitzewellen an der Oberfläche häufiger waren, stiegen die Temperaturen in über 150 Metern Tiefe stärker als bisher und dauerhafter als an der Oberfläche.
- Die höchsten 5% der globalen Meereswellen wurden in den letzten Jahren immer höher. 2022 brach ein Sturm in Melilla (spanische Enklave in Marokko) mehrere Rekorde gleichzeitig, mit sich extrem auftürmenden, langen Wellen.
- Verursacht durch einen starken, ungewöhnlichen Kälteeinbruch gab es 2022 südöstlich von Kreta ein extremes Wachstum von Phytoplankton, mit wahrscheinlich starken Auswirkungen auf die maritime Nahrungskette.
- Seit 1979 ging das Meereseis in der Arktis um durchschnittlich 4% je Jahrzehnt zurück. Auch in der Antarktis ist ein deutlicher Rückgang der Eisfläche festzustellen.
- Die Meere werden saurer, um 30% seit 1985.
- Von 1999 bis 2023 stieg der Meeresspiegel durchschnittlich um 3,4 mm/Jahr; regional ist der Anstieg unterschiedlich stark.
All das hat Auswirkungen auf die Biodiversität in den Ozeanen, gefährdet den Fischfang, sorgt für mehr und extremere Überschwemmungen. Zugleich wirkt es sich auf das globale Wetter aus, sorgt für mehr und stärkere Extremereignisse. Gemeinsam mit der weltweiten Flächenversiegelung und dem großflächigen Kahlschlag zum Beispiel im Amazonasgebiet ergibt sich daraus ein teuflisches Gebräu. Für uns heißt das ganz konkret, mehr in regenerative Energien zu investieren, klimaneutraler bauen und heizen, zu renaturieren wo immer möglich, uns gegen Sturmfluten, Überschwemmungen und Hitzewellen wappnen und gleichzeitig die Länder des Südens bei ebensolchen Maßnahmen zu unterstützen. Ist nicht billig, aber machbar. Und zahlt sich für alle aus, insbesondere für unsere Kinder und Enkel.
Zusatzbemerkung: Jetzt hat man auch festgestellt, dass neben dem Ruß aus den südamerikanischen Waldbränden auch der Ruß aus jährlich rund 500 Kreuzfahrtschiffen zum Abschmelzen der Antarktis beiträgt. Dieser wirkt umso stärker, weil der Rußeintrag in der heißesten Jahreszeit stattfindet.
Gerhard Seitfudem