War die Mission erfolgreich?
Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in den USA am 11. September 2001 griffen die USA und ihre Verbündeten am 7. Oktober 2001 Afghanistan an, da die in Afghanistan regierende Taliban die für die Anschläge verantwortliche Terrorgruppe Al-Qaida unterstützten.
Am 20. Dezember 2001 wurde die UN-Resolution 1386 verabschiedet. Damit wurde die internationale Schutztruppe (ISAF) geschaffen, an der auch die Deutsche Bundeswehr beteiligt war. Die ISAF hatte in erster Linie eine Sicherheits- und Wiederaufbaumission.
Die Ziele waren sehr vage und unmessbar definiert. Sicherheit von welcher Seite war hier gemeint? In Afghanistan oder die Weltsicherheit?
Die Kämpfe in Afghanistan haben nie aufgehört. Bestimmte Teile des Landes waren einigermaßen ruhig, aber nie das ganze Land. Und im Rest der Welt hat man nicht nur mit der Terrororganisation Al-Qaida zu tun gehabt, sondern mit der viel gefährlicheren Mutation, dem so genannten Islamischen Staat. Von 2001 bis heute wurden Europa, die USA und andere Regionen durch viele Terroranschläge erschüttert. Dies bestätigt das eindeutige Versagen des Einsatzes aus der Sicherheitsperspektive!
Das zweite Ziel war der Wiederaufbau. Die ISAF konnte dem afghanischen Staat beim Aufbau seiner Institutionen helfen. Die Bürger*innen genießen mehr Freiheiten als zuvor, die Soldaten der afghanischen Armee und die Polizei sind besser ausgebildet. Ob sie nach Abzug der ISAF in der Lage sind, das Land vor den Angriffen der Taliban verteidigen zu können, werden wir trotz der aktuellen Erfolge der Taliban wahrscheinlich erst in etlichen Monaten wirklich sehen.
Wo waren die Fehler?
Die USA und ihre Verbündeten Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten die afghanischen Mudschaheddin sowie den Einsatz von arabischen freien Kämpfern (ebenfalls als Mudschaheddin bezeichnet) in Afghanistan gegen die Invasion der Sowjetunion in der Zeit von 1979 bis 1988.
Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan entbrannte ein militärischer Machtkampf zwischen den rivalisierenden Mudschaheddin-Gruppierungen. 1996 eroberten die Taliban Kabul. Die Kämpfer der Taliban sind afghanische Schüler der religiösen Schulen der Jamiyat-Ulamai Islam (JUI), die als afghanische Flüchtlinge (vor allem paschtunische) in Pakistan waren und nach dem sowjetischen Truppenabzug 1989 zur Kaderschmiede für die Taliban wurden. Die paschtunischen Stämme sind die größten und decken über 40% des Landes ab. Die Taliban wurde von der pakistanischen Regierung – vermutlich nach Abstimmung mit den USA – unterstützt.
Von der anderen Seite begann eine Verhetzung und später eine Jagd auf die freiwilligen arabischen Kämpfer, was unter anderem zur Radikalisierung der meisten von ihnen führte. Stattdessen hätte man ihnen für ihren Einsatz zur Befreiung Afghanistans von der sowjetischen Besatzung danken und für sie ein Wiedereingliederungsprogramm starten können, denn letztendlich war ihr Einsatz von den USA gewünscht gewesen, um den Vormarsch der sowjetischen Truppen in Richtung der ölreichen Länder am Persischen Golf zu stoppen. Diese Vorgehensweise führte unter anderem dazu, dass die meisten ehemaligen Mudschaheddin nach Rückzugsorten suchten, wie zum Beispiel die Bergregion in West-Algerien oder die Berge von Afghanistan. Daraus entstand die Terrororganisation Al-Qaida, die sich zum Ziel setzte, die Großmacht USA und ihre Verbündeten im Nahen Osten herauszufordern.
Welche Alternativen hatten die USA und ihre Verbündeten?
Die US-Administration unter Präsident George W. Bush entschied nach dem 11. September 2011 den militärischen Einsatz in Afghanistan voreilig, ohne alle Optionen ausreichend abzuwägen. Die bessere Variante wäre gewesen, die Taliban unter massiven Druck zu setzen und gleichzeitig mit ihr, als Machtinhaber in Kabul und Vertreter des größten ethnischen Stammes Afghanistans, in Verhandlung mit klaren Zielen zu treten. Solche Ziele hätten zum Beispiel sein können:
- Die terroristischen Organisationen wie Al-Qaida aus dem Land zu vertreiben und die in Terroranschläge verwickelten Personen auszuliefern.
- Anstoßen eines Versöhnungsprozesses zwischen den damaligen Machtinhabern, der Taliban auf der einen Seite und den oppositionellen Gruppen (den damaligen Mudschaheddin) und Vertretern der verschiedenen Ethnien Afghanistans auf der anderen Seite, denn ohne Beteiligung der großen Stämme an der Macht wird es keinen dauerhaften Frieden im Land geben.
- Das Einwirken auf die Opposition zum Bestehen auf einer Verfassungsänderung, in der unter anderem die Frauenrechte und Rechte der ethnischen und religiösen Minderheiten hätten gesichert werden können.
Mohamed Abu el Quomsan