16 Seiten, die die Zukunft (nicht?) verändern: Ein Kommentar zum Koalitionsausschuss der Ampel

Einen Teil der Ergebnisse des Koalitionsausschusses könnt ihr in der Presse lesen, auch die Kommentare dazu. Aber es gibt mehr zu sagen. Wer kritisiert, dass sich die Grünen über den Tisch ziehen haben lassen, verkennt die Mehrheitsverhältnisse in der Regierung und bei den Wähler*innen. Dabei geht es Scholz auch darum, die Wirkung von Robert Habeck klein zu halten, denn ihn sieht er für 2025 als direkten Konkurrenten um das Amt des Bundeskanzlers.

Das Papier ist schwammig. Das ist logisch, es ist mehr eine Standortbestimmung denn eine Handlungsanweisung. Es enthält viel zu viel über Autos, E-Fuels und Autobahnen; Klingbeil sagt explizit, dass die SPD bei den Autobahnen nahe bei der FDP war. Und was schlimm ist und sich nach einem neuen Beschluss anhört, ist nicht neu: Die Sparziele für die Sektoren Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Bauen und Wohnen sowie Landwirtschaft werden zum Summenziel gekoppelt, auch wenn sie weiterhin einzeln betrachtet werden sollen. Das war aber schon Bestandteil der Koalitionsvereinbarung – und damals zwischen Grünen und FDP als Gegenleistung für das Abschalten der Kohlekraftwerke vereinbart.

Die Aussagen zum CO2-Handel bestätigen nur den EU-Rahmen. Windenergie soll gestärkt werden, baurechtliche Verfahren für klimarelevante Investitionsvorhaben werden beschleunigt. Das Umweltrecht soll gestärkt werden, Naturschutz großräumiger und vernetzter, wichtige Flächen gesichert, ein länderübergreifender Biotopverbund definiert werden. Kompensationsflächen sollen an Bedeutung gewinnen (was wohl auch heißt, dass man sich freikaufen kann). Und, eine peinliche Plattitüde: Die Bundesregierung unterstützt die Europäische Union dabei, das Montrealer Abkommen effektiv umzusetzen. Die Stärkung der Schiene könnte im Papier deutlicher sein, aber wir wissen sowieso nicht, was mit zu wenigen Fachkräften umsetzbar und was möglich ist, ohne zu viele Verspätungen zu provozieren. Die Zusatzeinnahmen aus der Maut sind eine akzeptable Idee. Es gibt positive Aussagen zur Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung in Bezug auf die Klima- und Umweltschutzziele, Gesundheit und Städtebau. Und bei den Heizungen? Da hat Robert Habeck mit der endgültigen Gesetzesvorlage wahrscheinlich erreicht, was er angepeilt hat.

Klima und Umwelt haben mit diesem Papier nichts gewonnen, gegenüber der bisherigen Arbeit der Regierung wahrscheinlich auch nichts verloren, aber sie verlieren ganz deutlich in der Zukunft. Gewonnen hat die FDP. Gewonnen hat auch die Bundes-SPD, die sich damit als sozial orientierte Partei der Mitte geriert, aber letztlich geoutet hat als Partei, der auf absehbare Zeit Macht wichtiger ist als Klimaschutz. Doch dieses Papier ist erst der Anfang, es gibt noch viele weitere Konflikte, bei Gesundheit, Migration, Bildung usw. Das ist alles umso dramatischer, weil wir in einer Zeit irrationaler Erzählungen leben, von E-Fuels über das lokale „Wir schaffen die Null“ bis hin zum Glauben, dass wir den Pflegenotstand beheben werden oder es uns leisten können, ausbildungsfähige Migranten auszuweisen.

Als Grüne müssen wir es schaffen, den Menschen Wahrheiten so zu vermitteln, dass sie uns mehr glauben als den anderen. Zugegeben, das ist schwierig – umso mehr, weil wir zerrieben werden zwischen radikalen Klimaprotesten und der Masse der Wähler!

Gerhard Seitfudem