Fragen und Antworten: Wasserstoff, der Hoffnungsschimmer der Energiewende

Liest man sich in das Thema Wasserstoff ein, stellt man schnell fest, dass (zu) vieles noch im Stadium der Entwicklung ist. Wir haben diese Technologie Jahrzehnte verschlafen, obwohl man schon vor einem halben Jahrhundert von wasserstoffgetriebenen Pkws träumte oder von der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mittels großer Hitze, erzeugt durch Spiegel, die das Sonnenlicht auf einen Punkt konzentrieren.

Quellen zur Wasserstofftechnologie und -wirtschaft sind teilweise widersprüchlich oder veraltet. Für diesen (leider, weil es kaum geeignete gibt, nicht mit Bildern garnierten) Beitrag habe ich so viele Quellen verwendet und vermischt, dass Angaben dazu nur verwirren würden. Fehler oder Unsauberkeiten sind nicht auszuschließen, aber letztendlich soll es hier eher ums große Ganze gehen, um die Antwort auf die Frage: „Wie kann uns Wasserstoff helfen, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen?“

Manches, was sich hier (und anderswo) technisch relativ simpel anhört, ist es in der Praxis vielleicht doch nicht, denn der Teufel steckt im Detail: Wie sieht die Energiebilanz der jeweiligen Nutzungsarten aus? Wieviel graue Energie steckt in den Prozessen? Welche Nutzungen sind zu priorisieren? Wie umweltfreundlich und sozialverträglich findet die Produktion von H2 statt? Welche Abhängigkeiten entstehen, welche Netze? Das sind nur einige der relevanten Fragen. Rückmeldungen zum Beitrag sind durchaus erwünscht, wie selbstverständlich zu allem, was ihr unseren Newslettern lesen könnt.

Wem dieser Beitrag zu lang ist und wer weniger Interesse an Hintergrundwissen oder Zeit zum Lesen hat, der/die kann nach ganz unten scrollen, zur Frage: „Was müssen wir in den nächsten 5, 10, 15, 20 Jahren tun?“ Allerdings schadet ein wenig Hintergrundwissen nie …

Warum ist Wasserstoff so wichtig?

Wenn unser Strom komplett aus regenerativen Energien gewonnen werden soll, brauchen wir Energie-Langzeitspeicher, da Wind und Photovoltaik nicht permanent (Flaute, Winter, Nacht …) zur Verfügung stehen. Außerdem brauchen wir auch in einer klimafreundlichen Gesellschaft Brennstoff, vor allem für industrielle Prozesse in der Chemie- und Stahlindustrie (allein die Stahlindustrie erzeugt bisher 6% des Ausstoßes an Treibhausgas in Deutschland), aber auch für diejenigen Verkehrsträger, bei denen Batterien unwirtschaftlich sind. Aus Biomasse sollten wir keinen Brennstoff herstellen, da der Aufwand zur Erzeugung sehr groß ist und wir den Klimawandel wir nur stoppen können, wenn wir möglichst wenig Flächen für die Brennstoffherstellung vergeuden.

Wieviel Wasserstoff brauchen wir?

Auch wenn wir natürlich schon für einen früheren Zeitpunkt die Klimaneutralität anstreben, gehen wir mal von Prognosen für das Jahr 2050 aus: Danach werden wir (ganz grob) in der EU einen Energiebedarf von in der EU 9.300 TWh haben. Je nach Szenario können wir davon zwischen 8% und etwa 25% mit Wasserstoff decken.

In Deutschland werden wir nach einem Szenario einen Endenergiebedarf von 1.850 TWh haben, produziert mit einem Strombedarf von etwa 2.200 TWh. Von der Endenergie entfallen je 20% auf Strom und Gebäudewärme und jeweils etwa 15% auf Industriewärme, Straßen- und Bahnverkehr, Flug- und Schiffsverkehr und Nicht-energetischen Verbrauch (als Rohstoff für die Herstellung von Kunststoffen). Man schätzt, dass die Hälfte dieser Energie in Deutschland produziert werden kann, davon wiederum die Hälfte mit Onshore-Wind, ein Viertel mit Offshore-Wind, ein Fünftel mit PV und die restlichen 5% mit anderen Energiequellen. Und die Hälfte unserer Energie müssen wir wahrscheinlich importieren.

Was bedeutet eigentlich „Wasserstoff“ in Bezug auf unsere künftige Energieversorgung?

Basis ist der „Grüne Wasserstoff“ (H2), der mit erneuerbarer Energie aus Wasser gewonnen wird. Andere Arten der Wasserstoffgewinnung sind mit deutlich größerem Aufwand verbunden. Auch aus Erdgas ließe sich (sogenannter „Blauer“) Wasserstoff gewinnen, ohne CO2 in die Atmosphäre zu blasen, wenn man es schafft, das Kohlendioxid zu lagern (zum Beispiel in unterirdischen Lagerstätten, was aber vor allem in Deutschland ein umstrittenes Verfahren ist).

Wie gewinnt man Grünen Wasserstoff?

Das passiert mittels Elektrolyse. Man spaltet Wassermoleküle (H₂O) unter Einsatz von Strom in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂): 2 H₂O → 2 H₂ + O₂. Der Wirkungsgrad dieses Prozesses liegt bei etwa 75%. Die entstehende Abwärme ließe sich teilweise in Wärmenetze einspeisen – wo man es halt brauchen könnte!

Im Idealfall nutzt man für die Elektrolyse Trinkwasser, das leider vor allem da, wo es viel Sonne gibt, nicht im Überfluss verfügbar ist. Verfahren, den Wasserstoff mit akzeptablem Aufwand aus Salzwasser zu gewinnen, sind in der Entwicklung und funktionieren noch nicht im großen Maßstab.

Es gibt auch die Idee, Wasserstoff direkt aus der Erde, aus tieferen Gesteinsschichten zu holen (dann heißt er „Weißer Wasserstoff“). Ob das in großem Maßstab funktioniert, ist noch völlig offen. Eventuell gibt es demnächst eine Bohrung bei Lourdes.

Wieviel Energie steckt im Wasserstoff?

Bezogen auf die Masse steckt im Wasserstoff ziemlich viel Energie, etwa 40 kWh/kg „Brennwert“. Bei Methan bzw. Erdgas sind es nur ca. 14 kWh/kg, bei Diesel/Benzin ca. 12,5/12,3 kWh/kg. Da Brennstoffe transportiert und gespeichert werden müssen, ist aber der aufs Volumen bezogene Brennwert die wichtigere Größe, und da sieht es bei Normaldruck beim Wasserstoff ziemlich schlecht aus, mit 0,003 kWh/Liter gegenüber etwa 0,01 kWh/Liter bei Methan und Erdgas und etwa 8,2 bis 8,6 kWh/Liter bei Diesel und Benzin.

Bei 700 bar (ein üblicher Maximaldruck in Gasflaschen) liegt die Energiedichte bei etwa 1,9 kWh/Liter. Erdgas bietet beim gleichen Druck etwa die vierfache Energiedichte, und damit immer noch weniger als Benzin. Auch flüssiger Wasserstoff hat mit ca. 2,35 kWh/Liter eine deutlich geringere Energiedichte als Benzin. (Anmerkung: Je nach Quelle findet man etwas unterschiedliche Daten zur Energiedichte.)

Das bedeutet in der Praxis: Wasserstoff als Energiespeicher braucht deutlich größere Behälterkapazitäten als Gas oder Öl. Damit wird schon deutlich: Als Antrieb für Pkw ist er nicht sinnvoll. Und: Man muss ihn möglichst schlau lagern und transportieren.

Wie lässt sich Wasserstoff speichern?

  1. Erst einmal natürlich in Druckflaschen, zum Beispiel mit etwa 700 bar (wie in Bussen mit Wasserstoffantrieb üblich).
  2. In unterirdischen Gasspeichern, etwa Salzkavernen.
  3. Flüssig als LH2 (bei -253°C bzw. 20 Kelvin, also 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt).
  4. An andere Stoffe gebunden: Zum Beispiel Dibenzyltoluol (C21H20), ein Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC). Ein Liter davon nimmt etwa 660 Liter Wasserstoff auf. Da die Bindungsenergie nicht allzu hoch ist, halten sich die damit verbundenen Energieverluste in Grenzen. Das 2013 gegründete Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC Technologies entwickelt Anlagen zur Speicherung und Freisetzung von Wasserstoff auf Basis dieser Technologie und gilt als weltweiter Marktführer in diesem Bereich.
  5. In Methanol (CH4O), hergestellt durch Reaktion von Wasserstoff mit CO bzw. CO2. Methanol lässt sich wiederum in ein wasserstoffreiches Gasgemisch umwandeln.
  6. In Metallhydridspeichern, die aufgrund des hohen Preises beliebt für U-Boote sind. An einem neuen Typ eines MH-Speichers („Powerpaste“, mit Magnesiumhydrid), der vielleicht auch für Kleinfahrzeuge nutzbar sein könnte, wird geforscht.
  7. In Adsorptionsspeichern kann man H2-Moleküle „anlagern“, sehr vielversprechend ist das aber noch nicht.

Außerdem gibt es noch Power-to-Gas, das neue Zauberwort. Interessant sind die Methanisierung und die Herstellung von Ammoniak.

  1. Aus Kohlendioxid und Wasserstoff lässt sich Methan herstellen: CO2 + 4 H2 → CH4 + 2 H2O. Das wiederum ließe sich perfekt über das vorhandene Erdgansnetz transportieren. Aber natürlich gibt es bei der chemischen Reaktion Energieverluste, es entsteht Wärme, die sich wahrscheinlich kaum nutzen lässt. Bei Lecks entweicht das Super-Treibhausgas Methan, und die Produktion von Kohlenmonoxid und -dioxid wird sich auch kaum vermeiden lassen.
    Es ist denkbar, dass wir zukünftig gewisse Mengen von synthetischem Methan aus fernen Anlagen importieren werden. Jedoch ist hier vieles noch unklar, beispielsweise woher das CO2 für die Methanisierung in der Sahara dann stammen soll. Im Prinzip könnte man es aus der Luft gewinnen, aber nur mit sehr großem Aufwand.
  2. Ammoniak (NH3) kann dort, wo grüner Wasserstoff gewonnen wird, aus diesem und aus dem in der Luft enthaltenen Stickstoff hergestellt werden. Ammoniak lässt sich dann relativ einfach verflüssigt bei -33 °C oder bei 20 °C unter einem Druck von etwa 10 bar transportieren. Ammoniak lässt sich wiederum einfach in Wasserstoff und Stickstoff zerlegen.

Bleiben also als wahrscheinlich dauerhaft wirtschaftlich Machbares Druckflaschen, Flüssiggas, Dibenzyltoluol, Methanol, Methan und Ammoniak.

Welche Nachteile haben die Speicherarten?

  1. Um das gewünschte Medium „herzustellen“, muss man immer erst einmal Energie reinstecken:
    Zur Komprimierung auf 700 bar braucht man schon mal etwa 12 Prozent der Energie, die als Brennwert im Wasserstoff enthalten ist.
  2. Für LH2 braucht man noch mehr, in der Größenordnung von 30 % oder 40%. Hinzu kommt, dass flüssiger Wasserstoff teuflisch schnell verdampft. Würde man es nicht verdampfen lassen, würden die Behälter aufgrund des steigenden Drucks explodieren. Man braucht also möglichst große Behälter, bei denen die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen sehr klein ist.
  3. Der Energieaufwand für die Speicherung in Dibenzyltoluol ist vergleichbar mit dem für flüssigen Wasserstoff, der Transport ist relativ einfach.
  4. Bei der Lagerung und dem Transport in Form von Methanol werden chemische Prozesse vor und nach der Lagerung bzw. dem Transport notwendig, die ebenfalls zu erheblichen Energieverlusten führen.
  5. Auch bei Power-to-Ammonia gibt es Verluste, allerdings ist Ammoniak relativ einfach zu „handeln“: Es ist einfach zu transportieren, gering entflammbar und kein Treibhausgas. Mit der Herstellung gibt es noch wenig Erfahrung. Und man könnte Ammoniak in modifizierten konventionellen Kraftwerken, Gas- und Dampfturbinen und modifizierten Verbrennungsmotoren nutzen. In speziellen Brennstoffzellen kann es direkt rückverstromt werden, auch Wasserstoff lässt sich daraus wieder herstellen.

Man könnte natürlich sagen, dass es doch egal ist, wie groß Verluste und wie gut Wirkungsgrade sind, wenn man sowieso grünen Strom hat. Aber das ist natürlich Unsinn, schon allein weil alle Anlagen möglichst platzsparend, kostengünstig und mit wenig energieaufwendiger Bausubstanz (in der die „graue Energie“ steckt) erstellt werden müssen.

Wie wird Wasserstoff transportiert?

Zuerst mal, indem man die Speicher selbst von einem Ort zum andern bringt, also Druckgasflaschen – oder Tanks bzw. Schiffe, wenn es sich zum Beispiel um flüssigen Wasserstoff, LOHC (also derzeit Dibenzyltoluol), Methan oder Ammoniak handelt. Und während sich aus Wasserstoff hergestelltes Methan über die bisher vorhandene Erdgasinfrastruktur, also Pipelines, verteilen lässt, funktioniert das bei gasförmigem Wasserstoff nicht ganz so einfach: Erstens kann H2 manche Leitungsmaterialien angreifen, zweitens ist die Energiedichte sehr gering im Vergleich zu Erdgas und der Energieaufwand fürs Pumpen der gleichen Energiemenge deutlich höher. Auch ließe sich Wasserstoff Erdgas oder Methan beimischen und in den Pipelines transportieren. Verdichterstationen müssten dafür angepasst werden, sofern sie nicht schon für den Transport von Wasserstoff ausgelegt sind.

Geforscht wird auch an der Nutzung von Pipelines für den Transport von flüssigem Wasserstoff, das Ergebnis ist noch offen.

Ist Wasserstoff gefährlich?

Zwar ist das ungiftige H2-Gas hochexplosiv, aber da Wasserstoff sich sehr schnell verflüchtigt, ist das in der Praxis kaum ein Problem. Behälter mit flüssigem Wasserstoff können aufgrund der extrem niedrigen Temperaturen bei Berührung zu Verletzungen führen, aber auch das ist in der Praxis nicht relevant. Darüber, wie gefährlich H2 bei der Nutzung im privaten Bereich zum Beispiel zur Gebäudeheizung ist, weiß man noch kaum etwas.

Wasserstoff, das in die Atmosphäre entweicht, trägt über indirekte Effekte ebenfalls zur Erderwärmung bei. Verluste aller Art, bei Herstellung, Transport, Speicherung (auch aus Druckgasflaschen entweicht das Gas) müssen also dringend minimiert oder vermieden werden.

Lässt sich Wasserstoff als Energiequelle im Verkehr oder zur Gebäudeheizung nutzen?

Dass Wasserstoff oder Wasserstoffderivate nötig für industrielle Prozesse sind, ist unstrittig. Der Deutschen Herz hängt aber an der Mobilität, und ein bisschen auch am Thema „Heizen“. Und da geht es letztendlich um Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Wirkungsgrade.

Deshalb sollte Wasserstoff im Verkehr definitiv nur genutzt werden, wo kein Strom aus regenerativen Quellen eingesetzt werden kann. Damit ist klar: Wasserstoff ist nur eine Option, wenn es um große Reichweiten oder hohen Energiebedarf geht, also in der Schifffahrt, im Flugverkehr oder beim Güterfernverkehr auf der Straße. Als Treibstoff könnten dann Kohlenwasserstoffe oder Ammoniak dienen. Eine weitere Option sind Brennstoffzellen als Stromlieferant für Elektromotoren, aber hier ist die Entwicklung noch nicht sehr weit gediehen. Wasserstoff direkt zu verbrennen, ist sehr ineffizient. E-Fuels für Pkw haben einen miserablen Wirkungsgrad und sind damit nicht klimafreundlich.

Und auch beim Heizen ist die Sache klar: Keine Methode, die irgendwie mit Wasserstoff zu tun hat, schlägt in der Energiebilanz auch nur annähernd das Heizen mit Strom und Wärmepumpen. Wenn es keinen Wind und zu wenig Sonne gibt, brauchen wir dafür Speicher. Batterien bieten dann bessere Wirkungsgrade als das Verbrennen von Wasserstoff oder seinen Derivaten.

Woher bekommen wir Wasserstoff oder Wasserstoff-Derivate?

Mehr oder weniger unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeitet die deutsche Regierung schon länger mit einigen Ländern zusammen:

  • Mit Namibia, mit dem Deutschland als erstes Land eine staatliche Kooperationsvereinbarung geschlossen hat. Namibia gilt in Fachkreisen als besonders vielversprechend für die günstige Produktion von Grünem Wasserstoff, Methan, Ammoniak und Methanol. Bereits vor 2025 will Namibia Grünen Wasserstoff exportieren, zum Beispiel zur Anwendung im Schwerlastverkehr.
  • Ab 2025 soll Grüner Wasserstoff aus Kanada geliefert werden.
  • Über Rotterdam soll irgendwann Wasserstoff aus Westaustralien nach Deutschland kommen.
  • Gemeinsam mit Südafrika gibt es eine Forschungsinitiative, um mittels neuartiger Katalysatoren nachhaltiges Kerosin in industriellem Maßstab zu erzeugen.
  • Es gibt strategische Partnerschaften mit Staaten im westlichen und südlichen Afrika, wo mittels Solar- und Windenergie nicht nur der dortige Energiebedarf gedeckt werden könnte, sondern auch der Export möglich wäre. Der „Potenzialatlas Wasserstoff“ analysiert für 31 Länder verfügbare Energie- und Wasserressourcen, Flächen, Kosten und Effizienz, Energiebedarf und Energieinfrastruktur vor Ort sowie gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen.
    Für die 15 Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS liegen seit 2021 erste, sehr positive Ergebnisse vor. In Westafrika ließen sich danach jährlich bis zu 165.000 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff herstellen, etwa 300mal so viel wie Deutschland derzeit jährlich an Strom verbraucht, und weit über das Tausendfache des derzeitigen Bedarfs der ECOWAS-Staaten. Der Preis läge voraussichtlich bei unter 2,50 Euro pro Kilogramm, günstiger wird man H2 in Deutschland auch in der Zukunft kaum produzieren können. Dabei wäre der Norden Westafrikas besonders attraktiv für Photovoltaik, der Süden für Wind. Und der dortige Eigenbedarf an Strom und Wasserstoff könnte leicht gedeckt werden und bietet einen hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen für die Region. Allerdings ist die politische Lage dort nicht überall „stabil positiv“.

Potenzial scheint weltweit genug zur Verfügung zu stehen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns auch bei dieser Technologie nicht zu stark von anderen Ländern abhängig machen sollten. Und der ganze Prozess muss Fahrt aufnehmen, manche Forschungsprojekte wurden leider erst vor kurzem gestartet.

Wer steuert unser Land in die Wasserstoffwirtschaft?

In Deutschland gibt es den „Aktionsplan Nationale Wasserstoffstrategie“ (NWS). Mehrere Gremien spielen dabei eine entscheidende Rolle: Der Ausschuss der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre für Wasserstoff, kurz „St-Ausschuss Wasserstoff“, ist das Entscheidungsgremium der NWS. Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) ist ein unabhängiges, überparteiliches Beratungsgremium und besteht aus derzeit 25 hochrangigen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – mit Expertise in Wasserstoff-Forschung und -Produktion, Infrastruktur, Klima und Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Gebäuden sowie internationale Kooperation. Weitere Gremien sind die „Leitstelle Wasserstoff“ und ein Bund-Länder-Arbeitskreis.

Das Pendant auf EU-Ebene ist die EU Hydrogen Strategy, mit einer Menge von Zielen und Maßnahmen. Ein wesentliches Element ist dabei die finanzielle Förderung von Wasserstoffprojekten. Mittelfristiges Ziel ist es, 2030 innerhalb der EU 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff zu produzieren und ebenso viel zu importieren. Ganz, ganz grob entspräche das dem jährlichen Energiebedarf von Franken (wenn ich mich nicht verrechnet habe), aber es wäre ja erst der Anfang. Die EU-Strategie ist gegenüber den nationalen Aktivitäten eher als motivierend, finanzierend und koordinierend zu sehen; gerade die Koordination ist aber extrem wichtig, damit nicht einzelne EU-Staaten auf dem globalen Markt miteinander konkurrieren.

Was müssen wir in den nächsten 5, 10, 15, 20 Jahren tun?

Wir müssen alle Themen rund um Wasserstoff umfassend lernen und verstehen: Potenzial und Wirkungsgrade, Herstellung, Nebenprodukte (zum Beispiel Abwärme), Transport, Weiterverarbeitung zu anderen Energieträgern oder Chemikalien, Rechtsfragen, Umweltbelastung, Wirtschaftlichkeit, Alternativen. Staat und Unternehmen müssen Erfahrungen sammeln, damit Anwendungen nicht nur profitorientiert, sondern auch klimagerecht geplant und umgesetzt werden.

Überall, wo es technisch möglich ist, muss erneuerbarer Strom genutzt werden, er ist in Bezug auf den Wirkungsgrad jeder anderen Form von regenerativer Energie weit überlegen. Wo industrielle Prozesse es bedingen, brauchen wir wahrscheinlich Wasserstoff, daraus hergestelltes Methan oder vielleicht auch Ammoniak; was wo am besten ist, ist noch herauszufinden. Allerdings sind zum Beispiel bei Methan die Gesamtwirkungsgrade der Prozesskette meist schlechter als bei der direkten Verbrennung von Wasserstoff.

Im Verkehr werden wir Wasserstoff oder daraus produzierte Treibstoffe dort einsetzen, wo Batterien zu schwer oder unwirtschaftlich sind, also im Flugverkehr, in der Schifffahrt und wahrscheinlich im Schwerlastverkehr auf der Straße. In der Gebäudeheizung werden sie kaum ein Thema werden, da wir mit Strom oder nachwachsenden Rohstoffen heizen können, wobei deren jeweilige Umweltbilanz im Einzelfall verglichen und zur Entscheidung herangezogen werden muss. Wärmeversorgungsnetze werden dadurch weiter an Bedeutung gewinnen. Der Betrieb zum Beispiel von Heizungen oder Pkws mit Wasserstoff wird schon aus Kostengründen scheitern sowie daran, dass er für diese Anwendungen auch in der Ökobilanz nicht konkurrenzfähig zum Ökostrom sein wird.

All das funktioniert nur im Rahmen einer globalen Struktur. Eine solche, stabile, multilaterale Struktur müssen wir gemeinsam mit der EU und vielen anderen Ländern schaffen. Wir brauchen sie umso mehr, wenn Frankreich kein Wasser hat, um seine KKWs zu kühlen, oder wir längere Flaute und kaum Sonne haben. Das ist quasi der Push-Mechanismus.

Als „Pull-Mechanismus“ sind entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Grün produzierte Güter, grün produzierte Energie müssen für Hersteller und Verbraucher im Idealfall kurz- und in jedem Fall mittel- bis langfristig attraktiver sein als solche, deren Erzeugung mehr Treibhausgase verursacht hat oder durch entstandene Umweltschäden verursachen wird.

Umweltschädliche Produkte und Produktion müssen mit Abgaben (zum Beispiel für CO2) belegt werden, die passend umverteilt werden.

Fehlt noch die Infrastruktur. Die müssen wir aufbauen – oder eigentlich mehrere Infrastrukturen. Haben wir bisher Strom, Gas und Erdöl, so brauchen wir dann neben Strom vielleicht Strukturen für Flüssigwasserstoff, Wasserstoff, Methan, Ammoniak, Dibenzyltoluol … Das muss alles ab sofort geplant werden, damit wir keine Zeit verlieren. Das kann auch mal dazu führen, dass aufgrund von Planungsunsicherheiten ein Flüssiggasterminal oder eine Pipeline zuviel entsteht; das Risiko müssen wir in Kauf nehmen. Bremser, Trödler, polemische Politiker, „Nicht-bei-uns-Bürgerinitiativen“, konservative Planer oder „Autobahn-neu-Bauer“, die sich auf die falschen Themen konzentrieren, können wir nicht brauchen.

Gerhard Seitfudem