Es gibt sie tatsächlich, individuelle Klimaausblicke für die deutschen Landkreise. Sie zeigen die Entwicklungen im Verlauf des 21. Jahrhunderts für drei unterschiedliche Szenarien: eines mit sehr ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen, eines mit mäßigem Klimaschutz und eines ohne wirksamen Klimaschutz. Für jedes dieser Modelle wurde ein ganzes Bündel an Simulationen (17 bis 50) durchgeführt, jeweils mit neun verschiedenen regionalen Klimamodellen. Damit ist die maximale Bandbreite derzeit mit Klimamodellen abschätzbarer Veränderungen abgedeckt.
Was bringt der Klimaausblick? Trotz erheblicher Unsicherheiten im Detail gibt er uns Daten an die Hand, die wir berücksichtigen sollten. Wir brauchen diese Daten zum Beispiel für langfristig wirksames Handeln in der Land- und Forstwirtschaft, im Bau, in der Gesundheitspolitik (Hitzestress!) oder beim Wassermanagement. Auf den Energieverbrauch (Heizen, Kühlen) wirken sich die Veränderungen ebenfalls aus. Letztendlich geht es dabei auch um kommunale Infrastruktur, von der Ausstattung der Feuerwehr und Hitze-Notfallplänen über Flächenversiegelung und (Nicht-)Straßenbau bis zum Ausbau von Windenergie und PV, der Kühlung von Gebäuden, Bepflanzungskonzepten, Renaturierungsmaßnahmen oder der Anlage von Schwammflächen.
Erfasst sind 17 Kenngrößen:
- Temperatur (2 m über Grund, „bodennahe Temperatur“), Sommertage (Maximum > 25° C), heiße Tage (Maximum > 30 °C), tropische Nächte (Minimum > 20 °C), Frosttage, Spätfrosttage (1.4. bis 30.6.), Eistage (Maximum < 0 °C), Tage über 5 °C Mitteltemperatur, maximale Dauer von Hitzeperioden (> 30 °C).
- Niederschlag, Trockentage, Niederschlag > 20 mm/Tag, 95. und 99. Perzentil des Niederschlags (Tagesniederschlag, dessen Höhe an 5% bzw. 1% aller Tage im Jahr mit Niederschlag über 1 mm überschritten wird – das sind quasi „Stark-“ oder gar „Extremniederschlagsindikatoren“).
- Klimatische Wasserbilanz (das Jahresmittel der täglichen Differenz von Niederschlag und Verdunstung in mm/Tag).
- Mittlere Windgeschwindigkeit im Jahr in m/s.
- Schwüle Tage (Anzahl der Tage pro Jahr mit einem Wasserdampf-Partialdruck größer als 18,8 hPa; das entspricht einer Luftfeuchtigkeit von 100% bei 17 °C oder 44% bei 30 °C oder 25% bei 40 °C).
Das ist der Link zum ausführlichen Klimaausblick für unseren Landkreis. Wir bieten hier eine kurze Zusammenfassung.
Als Ausgangsdaten für die Szenarien dienen die Landkreis-Mittelwerte der Jahre 1971 bis 2000. Dabei ist zu beachten, dass es bereits innerhalb dieses Referenzzeitraums einen deutlichen Temperaturanstieg gab. Außerdem stiegen von 1971 bis 2000 die Niederschläge leicht an; statistisch sind diese Niederschlagswerte allerdings nicht besonders aussagekräftig. Der Klimaausblick enthält Grafiken mit Jahreswerten von 1985 bis 2084 sowie gemittelte Werte für die beiden („Generationen-“)Perioden 2036 bis 2065 und 2069 bis 2098. Die gemittelten Werte sind zwar in Bezug auf die tatsächliche Klimaveränderung bis 2065 bzw. 2098 eher irreführend, können aber für Planungen, etwa in der Landwirtschaft, beim Gesundheitsschutz, bei (Um-)Bauprojekten oder der Wasserversorgung, extrem interessant sein.
Was haben wir demnach zu erwarten? Wir beziehen uns im Folgenden nur auf die Daten, die auf gemäßigten Klimaschutzmaßnahmen basieren; diese sind in der Tabelle aufgeführt. Ambitioniertere oder gar sehr ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen sind weltweit derzeit nicht in Sicht – auch gerade nicht in Deutschland. Wir Grünen kämpfen leider klimapolitisch mit FDP, CDU, CSU, AfD, BSW und besonders Politikern wie Söder, Merz und Aiwanger und natürlich deren Wählern. Die Zukunft missachtend treiben sie alle gemeinsam mit den Putins, Trumps und anderen Nationalisten der Welt die globale Temperatur und damit auch die Kosten für unsere Erben stark nach oben.
Wir sehen bis zur späteren Periode einen Median (= mittlerer Wert der jeweiligen Berechnungen; jeweils gleich viele Berechnungen ergeben höhere bzw. niedrigere Werte) des Temperaturanstiegs von 2,2 °C. Wenn man den Anstieg vom Beginn der Industrialisierung bis zum Referenzzeitraum 1971 bis 2000 zusätzlich berücksichtigt, dann liegen wir da schon bei einem satten Anstieg von etwa 3 °C – das 1,5-Grad-Ziel von Paris ist damit deutlich verfehlt (siehe auch den Beitrag „Der Klimawandel trifft nicht die Privilegierten“). Dazu kommen deutlich mehr Sommertage, viel weniger Frost- und Eistage und deutlich mehr Trockentage und schwüle Tage. Das ergibt in Summe eine extreme Belastung für Flora und Fauna, ebenso wie für den menschlichen Organismus.
Allerdings verharmlosen die hier als simple statistische Jahresdurchschnittswerte wiedergegebenen Zahlen eine weitere Entwicklung: Die Schwankungen werden extremer, bei Hitze, Regen, Wind. Insofern sind auch die Angaben für die klimatische Wasserbilanz absolut irreführend. Die Tabelle suggeriert uns „praktisch keine Veränderung“. Das ist falsch, denn das Wasser kommt in Zukunft immer weniger gleichmäßig übers Jahr verteilt, sondern extremer – mal zu lange zu wenig oder gar nichts, dann wiederum viel zu viel in kurzer Zeit. Das ist weder gut für die Natur, noch für uns. Für die Landwirtschaft heißt das „Anpassen an Extremsituationen“. Das funktioniert nicht mit Düngemittel.
Wie übel es werden kann, wenn es schlechter läuft, zeigen die pessimistischsten Simulationen für das Extremszenario „ohne wirksamen Klimaschutz“. Da kommen für 2084 irrsinnige 55 tropische Nächte heraus, 50 schwüle Tage und bis zu 25 Tage als maximale Dauer von Hitzeperioden. Frosttage gibt es kaum noch.
Fazit: Schnelles klimapolitisches Nachdenken, Entscheiden und Handeln sind auch auf regionaler Ebene angesagt. Wir alle sind verantwortlich.