Am 4.3. war der Biobauer Tristan Billmann aus Gunzendorf bei Emskirchen zu Gast bei unserem monatlichen Treffen (hier könnt ihr ihn in der Sendung „Lust aufs Land“ des Bayerischen Rundfunks sehen). Er bewirtschaftet einen Hof mit 35 ha Nutzfläche und betreibt hauptsächlich Gemüseanbau – etwa 60 Sorten! Unterstützt wird er von vier in Teilzeit angestellten Mitarbeiter*innen und einem Pool von Helfern. Außerdem nehmen etwa 40 Personen bei ihm an solidarischer Landwirtschaft teil. Dreimal in der Woche ist er auf Märkten, darunter Freitagvormittag in Erlangen vor dem Rathaus.
Besonders interessant war der Abend auch wegen Tristans profundem Hintergrundwissen. Ganz viele der Regeln, über die Landwirte derzeit unzufrieden sind, sind EU-Regeln. Auch die Subventionen stammen hauptsächlich aus EU-Mitteln. Und diese nehmen für die konventionelle Landwirtschaft eher ab. Das stört vor allem konventionell arbeitende, größere Betriebe. Aus ebensolchen stammen schwerpunktmäßig die Funktionäre der Verbände, ihre Interessen sind nicht deckungsgleich mit den Interessen „der Landwirte„. Es gibt keinen typischen Landwirt. Je nach Größe, ob Viehhaltung oder Feldanbau den Schwerpunkt bildet, ob bio oder konventionell, ob Almwirtschaft oder nicht, sind völlig andere Dinge relevant und ergeben sich andere Subventionen. Und ausgerechnet zum Jahresende, als die Landwirte mehr Zeit hatten als zu anderen Jahreszeiten und die jährliche Subventionszahlung anstand (mit denen sie quasi jährlich ihr Konto wieder auffüllen), wurde die Dieselsubvention gestrichen. Der Zeitpunkt war also doppelt ungünstig für die Koalition.
Für Tristan Billmann ist die Dieselsubvention irrelevant, weil er keine großen Maschinen für seine Flächen benötigt. Deshalb beantragt er sie gar nicht erst. Ähnlich wird es bei den meisten Landwirten der Fall sein. Für ihn ist auch nicht klar, warum immer noch so viele Landwirte in der Union oder bei den Freien Wählern sind. Denn vor allem diese haben als Landwirtschaftsminister*innen die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte mitzuverantworten, die jetzt vor allem den Grünen angekreidet werden: von 2005 bis 2021 Horst Seehofer, Ilse Aigner, Hans-Peter Friedrich, Christian Schmidt, Julia Klöckner. Alle CSU, außer Julia Klöckner. Ob die Landwirte diese Namen schon vergessen haben?
Neben den EU-Verordnungen sind für die Betriebe vor allem die Verordnungen der Länder relevant, die je nach Land eher auf die Typologie der Betriebe ausgerichtet sind. Nach Tristans Aussage ist die Bürokratie keine so große Bürde, zumindest für seinen Betrieb („es sind halt Excel-Tabellen, die man ausfüllen muss“).
Fazit der Veranstaltung:
1. Die Proteste gegen die Grünen sind in keiner Weise nachvollziehbar und werden von CDU/CSU, FW und dem Bauernverband gnadenlos befeuert.
2. Gute Lebensmittel haben für viele Menschen in Deutschland einen viel geringeren Stellenwert als in europäischen Nachbarländern. Dieser wird durch Dumpingpreise im Lebensmitteleinzelhandel noch befördert. Die wahren Kosten der Lebensmittelerzeugung und ihre Auswirkungen auf Mensch, Tier und Natur aufzuzeigen, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.
3. Wenn Verbraucher*innen für landwirtschaftliche Erzeugnisse den Preis, den ihre Erzeugung kostet, zahlen würden, dann bräuchte es die ganzen Agrarsubventionen gar nicht, die ja aus Steuermitteln bezahlt werden müssen.
4. Landwirt*innen müssten – vom Staat, den Ländern und/oder den Kommunen – angemessen für ihre Leistungen, die sie bisher kostenlos für die Gesellschaft erbringen und die uns hohe Folgekosten ersparen, entlohnt werden (z.B. Trinkwasseraufbereitung, CO2-Senken durch Humusaufbau, Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Beitrag zur Artenvielfalt, …).
5. Und schlussendlich die Erkenntnis, dass nur ein wertschätzender Dialog unter den verschiedenen Akteuren zu tragfähigen und nachhaltigen Lösungen führen kann und dass wir deshalb über die eigene Blase hinaus im Gespräch bleiben müssen.