Das Reifendilemma

Da hilft kein Greenwashing: Autos verursachen Mikroplastik durch Reifenabrieb. Auch E-Autos, und das umso mehr, weil sie durch die Batterie im Vergleich schwerer sind als Verbrenner. Die stärkere Beschleunigung könnte sich zusätzlich negativ auswirken.

Nach aktuellen Studien gelangen in Deutschland jährlich 100.000 bis über 150.000 Tonnen (!) Abrieb von Autoreifen in die Umwelt. Das „Reifenplastik“ ist die größte Einzelquelle für Kunststoffe in der Umwelt, weit vor synthetischen Fasern aus Textilien oder achtlos weggeworfenem Plastikabfall, und kann entsprechend aktueller Forschungen die Zellmembranen von Menschen und Tieren direkt schädigen. Nach einer Studie (erschienen im International Journal of Environmental Research and Public Health aus dem Jahr 2017) ist der Reifenabrieb für 5 bis 10 Prozent des Kunststoffeintrags in den Weltmeeren verantwortlich.

Der Reifenabrieb findet vor allem in Kurven und an Ampeln statt, außerdem ist er bei höheren Geschwindigkeiten stärker als bei niedrigen. Wieder ein klares Argument pro Tempolimit.

Die Menge des Abriebs unterscheidet sich je nach Reifenhersteller. Allerdings ist die Entwicklung nachhaltiger Reifen schwierig, Reifen oder Reifenbeimischungen aus Naturkautschuk oder anderen Materialien bieten noch keine gute Alternative. Laut Michelin, einem Unternehmen, das sich bei der Reifenentwicklung früher mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat als manch anderes, wird es vor 2050 kaum Reifen aus erneuerbaren, recycelten oder biologisch erzeugten Materialien geben. Bis dahin landen mit dem Abrieb auch so schädliche Stoffe wie Zink, Blei, Cadmium und Weichmacher in der Umwelt.

Zuerst bleibt ein großer Teil des Abriebs auf der Fahrbahn oder im nahen Umfeld. Innerörtlich schwemmt ihn Regen großteils in die Kanalisation, außerorts versickert er neben den Straßen und belastet Gewässer und Böden. Wahrscheinlich landen etwa 12 bis 20 Prozent des Abriebs in den Gewässern. Weitere geschätzte fünf bis zehn Prozent gelangen von der Straße in die Luft und tragen zur Feinstaubbelastung bei. Über die Nahrungskette landen die wasserunlöslichen Partikel, die leicht mit Plankton verwechselt werden, nicht nur in Meerestieren, sondern schließlich auch im menschlichen Körper. Man schätzt, dass allein im Atlantik 200 Millionen Tonnen Mikroplastik schwimmen.

Ein bisschen lässt sich der Eintrag in die Umwelt eindämmen, mittels Straßenreinigung an Ampelkreuzungen (insbesondere vor Regengüssen) oder Gully-Filtersystemen. Aber das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die einzige gute Lösung heißt: Umsetzung einer echten Mobilitätswende, öffentlicher Nahverkehr als Standard der Fortbewegung und weniger Autos auf unseren Straßen.

Verwendete Quellen:
BUND, ADAC, SZ, Quarks, IIJERPH