Ein Drama in drei Akten: GEG und kommunale Wärmeplanung

In Erding protestierten 13.000 Menschen gegen ein Gesetz, das kaum einer von ihnen richtig kennt. Oppositionspolitiker aller Parteien greifen die Regierung an, ohne bessere Lösungen vorzuschlagen; etliche von ihnen verdrehen die Fakten. Parteien in der Regierung knicken vor der öffentlichen Stimmung ein und versprechen höchste Förderungen. Bürger und Politiker erzeugen damit ein Fiasko in Sachen Klimaschutz und bei den Finanzen.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist nicht neu. Zum Inkrafttreten 2020 wurden darin mehrere alte Gesetze und Verordnungen zusammengefasst. Damit erfüllte die Bundesregierung auch EU-Vorgaben, eine Regelung für Niedrigstenergiegebäude festzulegen. Im Jahr 2022 beschlossene Veränderungen am GEG sind zum Jahresanfang 2023 in Kraft getreten. Nun gab es Änderungsvorschläge zum GEG, dann ratzfatz die Einigung Scholz/Habeck/Lindner und als drittes einen – absolut wichtigen – Gesetzesvorschlag zur kommunalen Wärmeplanung. Vielleicht verabschiedet der Bundestag das alles noch vor der Sommerpause.

Muss nicht gedämmt werden. Wird nämlich nicht beheizt.

Und noch etwas ist passiert: Am 16. März 2023 hat das EU-Parlament beschlossen, dass Neubauten ab 2028 emissionsfrei sein sollen, Neubauten von Behörden bereits ab 2026. Und wo es technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, sollen alle Neubauten bis 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden. Für Wohngebäude, bei denen größere Renovierungen nötig sind, gilt das ab 2032. Dazu kommen Sanierungsverpflichtungen: Wohngebäude müssen bis 2033 mindestens Klasse E und bis 2033 Klasse D auf einer Skala von A bis G erreichen (Daten dazu findet ihr unten). Für Nichtwohngebäude ist jeweils 3 Jahre weniger Zeit. Die Sanierung soll mit Förderprogrammen und umfangreichen Ausnahmeregelungen unterstützt werden. Dieser Beschluss des EU-Parlaments gilt als Ausgangsposition in den nun folgenden Verhandlungen mit dem Europäischen Rat über die endgültige Form der Gebäuderichtlinie. Diese Initiative ist in der deutschen Debatte völlig untergegangen, denn hier treibt die EU in Sachen Klimaschutz wieder einmal die Deutschen vor sich her.

Doch nun zum aktuellen Plan (aufgrund der bisher noch dürftigen Informationslage und teils nicht eindeutigen Angaben bis Mitte Juni sind hier alle Angaben noch „ohne Gewähr“):

Ein Auslaufmodell: Heizkörper mit Rippen

Um welche Gebäude geht es?

Um alle. Private und öffentliche Gebäude werden gleichbehandelt.

Transformation des Gasnetzes

Das Gasnetz in der bisherigen Form wird beim Weg in Richtung CO2-Neutralität nicht mehr gebraucht. Es muss daher – mindestens teilweise – in ein Netz für Wasserstoff oder Wasserstoffderivate (siehe Newsletter vom April 23) transformiert werden. Dazu müssen Kommunen und Netzbetreiber einen verbindlichen Fahrplan mit Zwischenzielen zum Hochlauf des Wasserstoffs bis 2045 aufstellen.

Neubaugebiete

Ab dem 1. Januar 2024 muss bei Neubauten in Neubaugebieten möglichst jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das funktioniert mit Wärmepumpen, Anschluss an ein Wärmenetz (Fern- oder Nahwärme), Stromdirektheizung (z.B. Infrarotheizung), Solarthermie oder Hybridheizung (also z.B. Wärmepumpe und Gas oder Öl). Sogar eine Gasheizung ist erlaubt, wenn sie nachweislich mit erneuerbaren Gasen betrieben wird. Auch der Einsatz einer Holzheizung (Holzheizung, Pelletheizung, Holzhackschnitzelheizung etc.) wird als Erfüllen der 65%-Vorgabe akzeptiert. Außerdem gibt es unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit so genannter „H2-Ready“-Gasheizungen, also Heizungen, die komplett auf Wasserstoff umrüstbar sind.

Unsere Meinung/Interpretation:
Dass Holzheizungen damit mehr oder weniger als klimaneutral betrachtet werden, ist fachlich falsch und ein klimapolitischer Holzweg. Die Regierung ist damit letztendlich vor der großen Lobby der Waldbesitzer und Holzverfeuerer und vor Realitätsleugnern eingebrochen. Dass der Koalition das bewusst ist, sieht man daran, dass „beim Einsatz von Holz und Pellets Fehlanreize zu vermeiden sind“.

Kommunale Wärmeplanung

In Deutschland wird ab 2028 eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung für Kommunen ab 10.000 Einwohnern eingeführt. (Anmerkung: In mehreren Bundesländern gibt es schon entsprechende Gesetze oder Pläne; Vorreiter ist Baden-Württemberg. Bayern hat hier wieder mal keinen Plan.) Für Städte ab 100.000 Einwohner gilt die Verpflichtung bereits ab 2026.

Unsere Meinung/Interpretation:
Mit der Regel „ab 10.000 Einwohnern“ werden ungefähr 25% der deutschen Bevölkerung nicht von der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung erfasst.

Regelungen des GEG zum Heizungstausch greifen erst, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Bis dahin dürfen auch nach 1. Januar 2024 Gasheizungen eingebaut werden, sofern diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Dies gilt auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten.

Wenn eine kommunale Wärmeplanung ein klimaneutrales Gasnetz vorsieht, dürfen bis zur Umsetzung eines Wärmenetzes auch weiterhin auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden. Ist kein klimaneutrales Gasnetz geplant, dürfen Gasheizungen dann weiter eingebaut werden, wenn sie zu 65% mit Biomasse, nicht-leitungsgebundenem Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten betrieben werden. Ab dem Januar 2024 soll der Verkauf solcher Heizungen zwingend mit einer Beratung über „mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und mögliche Unwirtschaftlichkeiten“ verknüpft sein.

Unsere Meinung/Interpretation:
Das ist eine Art „Alibi der Technologieneutralität“. Es wird etwas angeboten, was im Moment technologisch noch unrealistisch ist. Ob daraus auf Dauer sinnvolle Wärmeversorgungsoptionen resultieren, wird man erst in ein paar Jahren sehen. Heizungseinbau wird damit zum finanziellen Lotteriespiel.

Austausch kaputter Heizungen

Bis 13.6.2023 sah die geplante Regel so aus: Kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Ist eine Heizung kaputt und nicht mehr zu reparieren („Havarie“), gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren (bei Gasetagenheizungen bis zu 13 Jahren), um eine neue Heizung mit 65 Prozent erneuerbarer Energie einzubauen. Vorübergehend kann auch eine gebrauchte, fossil betriebene Heizung eingebaut werden. Übergangsfristen von bis zu zehn Jahren gelten, wenn ein Anschluss an ein Wärmenetz absehbar ist.

Unsere Meinung/Interpretation:
Da das GEG aber noch nicht gilt, wo es keine kommunale Wärmeplanung gibt, ergibt sich in solchen Gebieten wohl erst einmal keine neue Gesetzeslage. Vielleicht wird sich diese Regel auch für die Gebiete mit kommunaler Wärmeplanung noch einmal ändern.

Nach dem Plan bis 13.6.2023 sah die geplante Bezuschussung so aus: 30 Prozent der Gesamtkosten werden bezuschusst, wenn jemand seine Gas- oder Ölheizung gegen eine Wärmepumpe, eine Stromheizung oder eine Holzheizung austauscht. Zusätzlich ist ein sogenannter Klimabonus geplant. Mit dem Klimabonus I kann die Förderung um 20 Prozentpunkte erhöht werden. Er gilt für Hauseigentümer*innen, die seit 20 Jahren im Haus wohnen und Hauseigentümer*innen über 80 Jahre sowie Hauseigentümer*innen, die ihre 30 Jahre alte Heizung auch ohne Tauschpflicht austauschen, und Sozialleistungsempfänger*innen. Der Klimabonus II von 10 Prozent gilt für Hauseigentümer, bei denen eine Austauschpflicht besteht, die die gesetzlichen Anforderungen aber übererfüllen, zum Beispiel indem sie mehr als 70 Prozent erneuerbare Energien erreichen. In Havariefällen gilt der Klimabonus III mit ebenfalls 10 Prozent, falls durch den Heizungstausch statt in drei Jahren bereits innerhalb eines Jahres die 65 Prozent erneuerbare Energien erreicht werden.

Hier sagt die Regierung nun, dass Haushalte durch notwendige Neuinvestitionen nicht überfordert werden dürfen. Die Förderung wird „möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft“ berücksichtigen. Es werden „die Ausnahmeregelungen, wie z.B. die Regelung zur 80-Jahres-Grenze, überarbeitet und plausibler gestaltet.“

Unsere Meinung/Interpretation:
So hart das auch klingt, bei der gesamten Diskussion wird eines vergessen: Eigentum verpflichtet. Es gibt keine Garantie und keine rechtliche Grundlage, dass man für Pflege und Erhalt von Eigentum keine Kredite aufnehmen muss oder dass man sein Eigentum schuldenfrei vererbt. Da aber unsere Steuergesetze kaum für sozialen Ausgleich sorgen, brauchen wir entsprechende sozial gestaffelte Förderungen für den Heizungstausch.

Bestandsgebäude: Austauschpflicht für alte Heizungen

Auch wenn Söder, Aiwanger und deren Kumpane etwas anderes erzählen: Es gilt weiter die bereits jetzt vorgeschriebene Austauschpflicht für Ölheizungen und Gasheizungen, die älter als 30 Jahre sind. Nicht ausgetauscht werden müssen Brennwertkessel und Niedertemperaturkessel. Bei selbst bereits vor 2002 genutzten Ein- und Zweifamilienhäusern greift die Austauschpflicht erst nach einem Wechsel der Eigentümer*innen.

Für bestehende Gebäude sind auch folgende Optionen vorgesehen: Biomasseheizung, Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt – mindestens zu 65 Prozent Biomethan, biogenes Flüssiggas oder Wasserstoff. Dazu gilt: Eigentümer*innen von Altbauten müssen im Rahmen von Sanierungen bestimmte energetische Mindeststandards einhalten. Zum Beispiel müssen bei umfassenden Sanierungen an der Gebäudehülle bestimmte Wärmedurchgangskoeffizienten erreicht und der Energieverbrauch der Heizungsanlage verbessert werden.

Auch bei Bestandsgebäuden greifen die Regelungen zur 65%-Erneuerbare-Energien-Pflicht erst, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt.

GEG für Neubau und Altbau: Energieausweise und Pflicht zur Beratung

Potenziellen Käufer*innen oder Mieter*innen muss spätestens bei der Besichtigung der Energieausweis vorgelegt werden. Entsprechend dem Vorschlag zur Änderung des GEG muss dieser nun auch die CO2-Emissionen nennen, die sich aus dem Endenergiebedarf für Heizung und Kühlung ergeben.

Unsere Meinung/Interpretation:
Es wäre gut, wenn letzteres bereits ab 2024 gelten würde. Aber vielleicht wird es mit den anderen zeitlichen Geltungskriterien des GEG gekoppelt.

Kostendämpfung für Eigentümer und Mieter

Generell soll gelten, dass Mieter nicht über Gebühr belastet werden sollen, gleichzeitig aber Vermieter Anreize bekommen, in moderne Heizungssysteme zu investieren. Für Investitionen in eine klimafreundliche Heizung ist eine Modernisierungsumlage geplant, die jedoch nur gilt, wenn durch den Vermieter eine Förderung in Anspruch genommen wird und die Mieterinnen und Mieter von der Inanspruchnahme der Förderung auch unter Berücksichtigung der weiteren Modernisierungsumlage finanziell profitieren. Klingt kompliziert. Ist es wahrscheinlich auch.

Bis 13.6.2023 sah die geplante Regel so aus: Wenn Vermieterinnen und Vermieter sich dafür entscheiden, Gasheizungen auf Basis von Biomethan einzubauen und zu nutzen, sollen Mieterinnen und Mieter vor den absehbar hohen Betriebskosten geschützt werden. Die Kosten für das Biogas dürfen dann nur in der Höhe abgerechnet werden, wie zur Erzeugung derselben Menge an Heizwärme mit einer hinreichend effizienten Wärmepumpe anfielen. Dies soll auch bei allen biogenen Brennstoffen, etwa bei Pellets/fester Biomasse gelten. Denn sonst würden Mieterinnen und Mieter in der Folge mit den hohen Betriebskosten eines grünen Gasversorgungsvertrags belastet.

Fällt die Entscheidung für den Einbau einer Wärmepumpe in einem energetisch schlechteren Gebäude, sollen Vermieterinnen und Vermieter nur dann eine Modernisierungsumlage erheben, wenn die Wärmepumpe einen Wirkungsgrad von mindestens 2,5 erreicht.
Der Wirkungsgrad 2,5 ist auch die Mindestanforderung, die die EU für den Einbau von Wärmepumpen fordert.
Anderenfalls können nur 50 Prozent der Investitionskosten umgelegt werden. Das soll Mieterinnen und Mieter vor zu hohen Betriebskosten durch weniger effiziente Wärmepumpen schützen. Gleichzeitig sollen die Vermieterinnen und Vermieter motiviert werden, in die Energieeffizienz des Gebäudes zu investieren.

Unsere Meinung/Interpretation:
Ob das so bleibt, ob das von der Wirkung des GEG bezüglich der kommunalen Wärmeplanung betroffen ist oder nicht, ist – zumindest uns – noch nicht bekannt. Dieser bürokratische Drahtseilakt zeigt auch deutlich, dass Wärmepumpen und Wärmedämmung wo immer möglich absolute Priorität haben sollten.

Unsere Meinung/Interpretation:
Mit der kommunalen Wärmeplanung wird eine sinnvolle Regelung umgesetzt, die schon lange überfällig war. Die daraus resultierende aufschiebende Wirkung etlicher Regelungen des GEG auf Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern, die Einstufung von Holz- und Pelletheizungen sowie die (hoffentlich nur vorläufige) Nichtanwendung des GEG in kleineren Kommunen auf Bestandsgebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten sind klimapolitische Fehltritte. Umso wichtiger ist es, dass auch kleinere Kommunen wie Bubenreuth sich schnell auf den Weg machen, damit ihre Bürger weitestgehend klimaneutral heizen können.

 

Anhang: Energieeffizienzklassen in Energieausweisen für Wohngebäude

Die Energieeffizienzklasse eines Hauses lässt sich auf Grundlage des Endenergieverbrauchs oder Endenergiebedarfs berechnen. Dazu benötigen wir die vollständigen Verbrauchsdaten der letzten drei Jahre. Der Endenergieverbrauch E(end) in der Einheit kWh/(m²a), also Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, ergibt sich aus dem Mittelwert der Endenergieverbrauche der letzten drei Jahre E1, E2, und E3 geteilt durch die Wohnfläche F des Hauses in Quadratmetern:
E(end) = (E1+E2-E3)/3/F

Für Öl- und Gasheizungen brauchen wir dazu noch einen Umrechnungsfaktor. Es gilt zufällig relativ genau: 1 Liter Öl ≙ 1 m³ Erdgas ≙ 10 kWh („≙“ bedeutet „entspricht“)

Und das sind die Energieeffizienzklassen mit ihrem jeweiligen Endenergiebedarf oder Endenergieverbrauch:

A+          unter 30 kWh
A            30 kWh bis unter 50 kWh
B            50 kWh bis unter 75 kWh
C            75 kWh bis unter 100 kWh
D            100 kWh bis unter 130 kWh
E             130 kWh bis unter 160 kWh
F             160 kWh bis unter 200 kWh
G            200 kWh bis unter 250 kWh
H            über 250 kWh

Hat ein Haus also bereits die Standards A, B, C oder D erreicht, sind die Eigentümer nicht von den EU-Richtlinien betroffen.